sonnenaufgang1

sozialwissenschaftliche Unschärfe

übergeordnete Ausführungen zu Unschärfe

Liberale Notizen

Theorie

Unbestimmtheit

 

 

 

 

 

Zu
 Unbestimmtheit
gehören

Wahrnehmbarkeit

Entgrenztheit

Unschärfe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

weitergehende
Ausführungen zu
Unschärfe

Wahrnehmbarkeit

Konsequenzen

Herrschaftswissen

Realität der sU

 

 

 

 

 

 

 

 

31.12.23 / 21.05.21 / 01.03.21 / 10.11.20 / 02.11.20 / 04.07.18 / 25.07.17 / ... / 19.06.01

 

Unschärfe sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse

Auf dem verminten Gelände der Sozialwissenschaften, ein angenehmerer Titel:

Unschärferelation als Handicap der Sozialwissenschaft

            Hinweise:

              Nur zur (Original-) Fassung in deutscher Sprache: Der bisherige Begriff “sozialwissenschaftliche Unbestimmtheit” wurde in der gesamten Web-Site durch “sozialwissenschaftliche Unschärfe” ersetzt. Dies ergab sich aus der kursorischen Internet-Recherche in Zusammenhang mit der Übersetzung nach Spanisch, Französisch und Englisch im November 2020. Dem zu Folge wird diesen und anderen Sprachen verbreitet statt “quantenmechanische Unbestimmtheit” der lateinische Wortstamm  von Unsicherheit (incertidumbre / incertitude / uncertainty) bzw. Unsicherheit in slawischen Sprachen genutzt.

            In der englischen, französischen und spanischen Literatur gibt es viele Beiträge, die “Unschärfe” mit “Sozialwissenschaft” recht unbekümmert in Verbindung setzen. Im deutschen Sprachraum scheint das Vorhaben mit spitzen Fingern behandelt zu werden.

            Vielfach befassen sich die Autoren mit Feststellungen wie “je allgemeiner die Aussagen, desto weniger genau die Vorhersage” oder versuchen sich mit der “Quantisierung der Soziologie”.

            Andere nehmen sich also das große Ganze der Quantentheorie vor, müssen daher endlos ausschweifend denken und argumentieren und verlieren sich ohne auf den wirklich relevanten Punkt zu kommen. Es
            ist, als ob dem Zusammenbruch des Marxismus instinktiv ausgewichen werden soll. Nun, das ist Freiheit des Denkens, der Meinung!

            Hier wird gestartet mit dem unmittelbaren und praktischen Problem des Forschers: “das Experiment beeinflusst das Objekt”. Danach wird radikal weiter gedacht.

            So weit ersichtlich, kommt Niklas Luhmann in “Gesellschaft der Gesellschaft” dem hier vertretenen Ergebnis bis auf Bruchteile eines Distanzmaßes am nächsten. Darauf wird noch Bezug genommen.

             

germany

spain

france

uk


 

Sozialwissenschaften verfolgen bekanntlich das Erkenntnisinteresse, Zusammenleben der Menschen (besser) zu verstehen. Weitergehend als die ontologische Sicht geht es vor allem um das Verhalten, d.h., von Prozessen als Folge von Aktion-Reaktion-Mengen in einer Gesamtheit vieler Individuen: Was geschieht wenn Gesucht sind Modelle, Erklärungen und kausale Wirkungsketten, zum Verstehen des  Verhaltens (Prozesses), einzelner Individuen oder ihrem Kollektiv. Solche Kenntnis ermögliche die Prognose künftiger Zustände. Zweifellos ein Faszinosum.

Längst gibt es die Erfahrung, dass noch so gut gemeinte Ideen und Maßnahmen zum Verbessern der Gesellschaft, Bekämpfen, Überwinden oder Abstellen von Umständen, die als unerwünscht befunden bzw. definiert sind, letzten Endes das Ziel nicht erreichten, bzw. entsprechend prognostizierte Zustände realiter nicht eintraten. Obendrein gibt es die bekannten Versuche, Menschenbilder zu entwerfen (gestalten, konstruieren), damit eine zuvor gefundene oder formulierte Theorie dazu passe.

Als Voraussetzung für Erfolg solcher Mühe müssten Gesellschaft und Menschen sich selber verstehen. Geht das, wenigstens prinzipiell? Der Begriff der Tautologie kommt in den Sinn. Extrem vereinfacht, weil die Individuen sich sehr wohl unterscheiden: Wird ein Metermaß mit einem anderen Exemplar gemessen (verglichen), mag Überraschung eintreten: Oh, Wunder beide Exemplare gleichen sich. Und besonders: Was folgt dann daraus?

Die Komplexität von Gesellschaft und Mensch ist nur untergeordnet der Grund dafür, dass den Sozialwissenschaften das Prädikat “exakte Wissenschaften” nicht zugeordnet wird.

Die viel tiefere Ursache für diesen Umstand lautet:


Definition für “sozialwissenschaftliche Unschärfe” (sU)::

Die Gesellschaft {G} kann die Gesellschaft {G}
nicht erkennen, nicht verstehen.

Die (umfassende) Selbsterkenntnis
des Menschen ist nicht möglich.
.


Der gedankliche und begriffliche Pate der Idee ist das Prinzip der quantenmechanischen Unbestimmtheitsrelation, meist bekannt als die Heisenbergsche Unschärferelation (1927). Von weiteren, möglicherweise noch unentdeckten Analogien zwischen dem Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unschärfe (sU ) und der quantenmechanischen Unschärfe abgesehen, sind hier die beiden folgenden von Bedeutung:

  1. Beobachtung und Experiment (hier: gedankliches) beeinflussen und verändern genau dadurch das betrachtete Objekt (hier die Gesellschaft).
  2. Dadurch wird die prognostische Aussage-Schärfe jeglicher Gesellschaftswissenschaft bzw. -lehre prinzipiell begrenzt (1) .

Wird nämlich eine Theorie {A} der Gesellschaft {G} „gefunden“, veröffentlicht, damit in der Gesellschaft gelernt (Beobachtung, Experiment, soziale Prognose,), ist die Theorie {A} im Sinne ihrer Anwendbarkeit zwecks Prognose in keinem Fall länger gültig; die Theorie {A) wird durch Lernen ungültig - wobei {A} als historisches Wissen selbstverständlich erhalten bleibt

 

Bemerkungen zur Vorgehensweise

 

“Anders” ist eine Gesellschaft schon dann (geworden), d.h., eine neue, da andere Gesellschaft ist schon dann entstanden, wenn das erste Bit zusätzlichen Wissens hinzugefügt ist. Hier relevant, gemeint und behandelt sind Fälle von Wissenszuwachs, die signifikante Veränderungen des Verhaltens der Individuen hervorrufen. Selbstverständlich - hier nicht weiter vertieft - verändert sich das Verhalten vieler Individuen schon dann, wenn nur (jeweils weiteres) Erfahrungswissen anfällt.

Mit der “sozialwissenschaftlichen Unbestimmtheit”  ( sU) wird implizit Kritik geübt. Insbesondere an Aussagen über angeblich “erkannte Gesetzmäßigkeiten” im Rahmen sozialer Prozesse, d.h. solcher an denen in irgendeiner Weise Individuen beteiligt sind. Diesbezüglich nicht von Bedeutung ist sog. Definitionswissen, aus dem unmittelbar kausal nichts folgt. Etwa: “Der Mensch pflegt seine Gewohnheiten” oder “die Farbe der Wand wird als blau bezeichnet”. Problematisch vor dem Hintergrund der sU sind  Aussagen mit der Struktur “ ... weil ... und deswegen ... “

In den Abschnitten (A), (B) und (C) kommen 10 Sätze mit denen das Prinzip, der sU, gegründet, beschrieben und “bewiesen” wird. Nach der kursorischen Bestandsaufnahme in Satz 1 , die sozusagen als Grundgesetz des weiteren Denkens verstanden werden soll, sind zunächst vier Sätze in abnehmender Abstraktion formuliert. Es wird dadurch das Prinzip Schritt für Schritt verständlicher.

Aus allen 5 Sätzen abgeleitet, werden in Abschnitt (B) drei weitergehende, zwingende “Sätze” mit teilweise überraschenden Aussagen formuliert.

Mit der  Darstellung in Abschnitt (C) von zwei der möglicherweise sehr vielen Werte-Postulaten, die sich aus dem Prinzip der sU ergeben, ist der Erklärungsteil abgeschlossen.

Wenige Worte ... und die Exkurse verbinden, teilweise nur kursorisch ausgeführt, die Theorie mit realem Geschehen.

Die Unterkapitel zu sU könnten vorab gelesen werden. Die Bedeutung der relativ schlichten Aussagen ergibt sich aber erst auf der Basis des Verständnisses der sU.

Randbemerkung:

Wie arm wäre im Übrigen diese Welt mit Einheitsmenschen, deren Verhalten sich so stark ähnelt, dass mit Hilfe von Statistik Verhaltensprognosen sinnvoll möglich wären.

 

(A) Beweise / Begründung

Als mathematische Notation wird mit folgender Bedeutung eingesetzt:

  n

  Anzahl der Individuen der Gesellschaft

  {G}

  Gesellschaftsmenge. Ihre Elemente sind das Wissen Infor-
  mation) gehalten von n Individuen, den Wissensträgern

  {Gi}

  Individuum “i” der Gesellschaft

  {A}

  Menge des vereinten Wissens die n Individuen gespeichert halten

  {Ai}

  Menge des Wissens des Individuum “i”

  {ΔA}

  Menge des vereinten zusätzl. Wissens gehalten von n Individuen

  {ΔAi}

  Menge des zusätzlichen Wissens gehalten vom Individuum “i”

  {G<Zahl>} / {A<Zahl>}

  Gesellschaft / vereinte Wissensmenge der n Individuen zu einem
  bestimmten Zeitpunkt

  <Zahl>

  verschiedene Zahlen bezeichnen verschiedene Mengen (an
  verschiedenen Zeitpunkten). Spätere Zeitpunkte werden durch
  jeweils größere Zahlen gekennzeichnet. Die gleiche Zahl
  kennzeichnet Mengen zum gleichen Zeitpunkt.

  Ø

  leere Menge

 

Satz 1, Prämissen zur Denkdisziplin:

Die gedankliche Kette zum Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unschärfe (sU ) beginnt mit dem “ich weiß, dass ich nichts weiß” (Sokrates) über die Forderung, Beweise wissenschaftlicher Theorien durch den Versuch der Falsifikation (Popper) zu führen, den Antikonstruktivismus (von Hajek) bis zum “Schiffbruch der Systemtheorie”. Letzteres wegen dem Umstand, dass “Systemkenntnis als (zwingender) Teil des Systems ‘logisch intraktabel’ ist” (Vgl. Niklas Luhmann, “Gesellschaft der Gesellschaft”, Ffm 1997, Bd.1, S.15 im Vorwort) (2). Weiterhin ist nicht zweckmäßig, Relativitäts- und Quatentheorie zu ignorieren.

Satz 2, mengentheoretische Logik:

Lernt die Gesellschaft {G1} {ΔA1} “über sich selber”, Umstand der längst bestand und wirkte, eben unbekannt war, verändert sich bedingt durch die Aktualisierung von {A1}, stets unvermeidbar, das Bewusstsein dieser {G1}. Die {G1} existiert nicht mehr, sie hat sich in die {G2} verwandelt. In mengentheoretischer Notation ausgedrückt

{G2} = {G1} + {ΔA1}

Beweisskizze: Wenn {A1} (aktualisiertes Wissen der {G1} “über sich selber”), lediglich mehr als die Leermenge, dabei in {G1} also nicht explizit enthalten, ist (war), dann {G2} > {G1}, d.h., {G2} ist eine größere Menge als {G1}. Folglich kann {A1} für {G2} nicht gültig sein. Es sei denn, es würde behauptet, dass trotz {ΔA1}, dem neuem Wissen, {G2} = {G1}.

Satz 3, statische Betrachtung:

Da gemäß Definition das in den Menschen gespeicherte Wissen zum konstitutiven Bestandteil der Gesellschaft gehört, verändert neues (gelerntes) Wissen die Gesellschaft,  ihr also hinzugefügt, diese Gesellschaft - mal mehr, mal weniger. Dieses neu gewonnene Wissen ist damit Wissen über eine frühere, andere, nicht mehr existente Gesellschaft.

Beweisskizze: Die Gleichung “{G2}={G1}+{A1}” sagt es aus. Wenn {ΔA1} {G2} und {ΔA1} {G1}, dann {G2} {G1}; ihre Differenz beträgt mindestens {ΔA1}. (eventuell zuzüglich des nur wegen Zeitablauf angefallenen Erfahrungswissen).

Satz 4, dynamische Betrachtung:

Wissen diffundiert in der Gesellschaft {G}; lernen die {Gi} “ihre” {Ai}, werden die Individuen {Gi}, wie in jedem anderen Fall von Lernen, hier bedingt durch das neue Wissen, sich entsprechend anders als bisher verhalten.

Die Individuen reagieren beispielsweise erwartungs- bzw. prognose-bedingt potenzielle Probleme abwehrend und potenzielle Vorteile anstrebend. Es akzeptieren die Individuen {Gi} etwa die mit Hilfe der Theorie {A} prognostizierten unerwünschten (künftigen!) Zustände nicht. Betroffene oder interessierte Individuen {Gi} entwickeln Anti-Theorie-{A}-Strategien / Verhaltensweisen mit der Konsequenz, dass die Theorie {A} über die {G} hinfällig wird (3).

Beweisskizze: Die Menge der theoretisch erwarteten, Theorie-{A1}-bedingten Prozessergebnisse kann nicht eintreten; denn nach Satz 2 und Satz 3 wird die Theorie {A1} ungültig geworden sein; es wird an Ihre Stelle (bis auf weiteres noch unerkannt) die Theorie {A2} getreten sein; Da nur im Grenzfall {A2}-{A1} = Ø verändert sich die Gesellschaft {G1} in {G2}, neben der Akkumulation von Erfahrungswissen, überwiegend also “nur”, weil die Individuen Neues, hier potenzielles Altwissen, lernen.

Satz 5, das übergeordnete philosophische Prinzip:

Möglicherweise ist bezogen auf die Menschheit und ihre Individuen, schon früher formuliert worden:

Das Sein entrückt der Erkenntnis

Beweisskizze: Beachten von Satz 4 in Verbindung mit Lernen und der Definition von Gesellschaft

 

(B) Weitergehende Sätze

Die vorstehenden 5 Sätze werden in lockerer Sprache, mehr als lediglich umformuliert weiter verallgemeinert. Die folgenden Aussagen sind zum Teil allerdings überraschend.

Satz 6, Wissensexpansion:

Aus Satz 2 und Satz 4 folgt, dass entsprechend Satz 5 (auch) die Gesellschaft {G} dem erschlossenen Wissensraum stets entrückt (“entrückt” ist nicht als Handlung eines personalisierten Subjektes zu verstehen).

Beweisskizze: Jede Aussage ergibt zeitversetzt Aussagen; diese ergeben ihrerseits Aussagen ... usw. Aus praktischen und logischen Gründen ist der Wissensraum somit unbegrenzt: Weder ein Individuum {Gi} noch gemeinschaftlich als Gesellschaft {G} können Menschen den Wissensraum (vollständig) je erschließen

Dies alles gilt unabhängig davon, dass nach heutiger Wahrnehmung außerdem die Grenzen zum Mikro- und Makrokosmos offen sind und daher (fast sicher) auch gedanklich nie überwunden werden können. Möglicherweise ist genau Letzteres der Grund dafür, dass weitergehend als zuvor begründet der (potenzielle) Wissensraum nicht erschlossen werden kann. Diese Begrenzung ist durch die Gesetze der Physik gesetzt. Wäre die Lichtgeschwindigkeit unendlich groß, würde alles sofort gesehen und gewusst, mehr müsste dazu nicht gesagt werden.

Schlussfolgerung: Es genügt die Lichtgeschwindigkeit c < damit der Wissenszuwachs unendlich lange anhält. Das gleiche gilt für das Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unschärfe  (sU)

Satz 7, Die Kraft der Beschränktheit:

Da jedes (lernende) Individuum {Gi} stets Mitglied der insofern “offenen” Gesellschaft {G} ist, gibt es keine nachhaltig gültige Theorie {A} über die Gesellschaft {G}.

Beweisskizze: Es gibt lediglich Theorien über geschlossene Gesellschaften, also solchen denen nicht alle Menschen angehören, weil einige sich abgesondert haben bzw. abgesondert wurden. Sie alle vermeiden oder müssen oft Transparenz vermeiden. Wichtige Beispiele sind die Praxis der Unnahbarkeit insbesondere von absolut Herrschenden Individuen, Familien, Hofstaat, Cliquen oder das (legitimierte) Direktorium einer Zentralbank.

Satz 8, Perplexität:

Richtigkeit/Beständigkeit einer Theorie setzt - (zumindest) für die Klasse der sozialen Prozesse - Unwissen voraus. Präzisiert: Es gibt potenzielle sozialwissenschaftliche Befunde, deren Richtigkeit, d.h., Funktionalität, nur dann gegeben ist, wenn diese potenziellen Befunde nicht bekannt sind.

Beweisskizze: Eine richtige Theorie {A} zur Gesellschaft {G} kann nur dann bestehen, wenn {G} keine Kenntnis von {A} erhält. Das System{G} darf also durch die Information {ΔA} nicht beeinflusst, damit nicht verändert (worden) sein.

Sonderfall: temporäres Herrschaftswissen. Herrscher sind in dieser Rolle kein Teil der offenen Gesellschaft. Beispiel Zentralbank: Bezüglich des Wissens künftiger Zinspolitik ist das (legitime) Gremium kein Teil der offenen Gesellschaft. Im Gegenteil, diesbezüglich ist (muss sein) der Rat eine geschlossene Gesellschaft, die folglich in dieser Rolle (logischerweise) kein Teil einer offenen Gesellschaft sein darf.

 

(C) Wertepostulate

Satz 9, Ethik der Zückhaltung: Unwissenheit selbstbewusst akzeptieren

Warum gar krampfhaft nach den Grenzen streben?

Beweisskizze: Der (Gesamt-) Wissensraum bleibt so wie so für immer unerschlossen. Schon deshalb ist die offene Gesellschaft von sehr gut begründeten Ausnahmeerscheinungen abgesehen, ethisch vernünftig.

Satz 10, Verallgemeinerung, unmittelbar politisch wirksam

Sozialismus wird seit über 200 Jahren vertreten. Der grundsätzlich emotionale und analytisch sogar nachvollziehbare Versuch, Unwissenheit über die Zukunft zu vermeiden bzw. zu überwinden, besteht nach wie vor. Zu diesem Zeitpunkt war (u.a.) die sU, basierend auf Denk- und Verfahrensweisen gemäß Satz 1 noch nicht formuliert worden. Möglicherweise inspiriert durch den Physiker Maxwell und angesichts seiner Schriften meinte Karl Marx Unsicherheiten und Unwissenheit dadurch zu überwinden, dass er grundlegende, Kausalität bestimmende Prinzipien (etwa historischer Materialismus) entwickelte. Im Licht der gesellschaftlichen Realität seiner Zeit provozierte Marx damit den Purzelbaum der Aufklärung. Die Idee der Aufklärung fiel (ihm?) beim Experiment dabei auf das Genick. Absolution: Der im Satz 1 bestimmten Denkdisziplin konnte sich Karl Marx (historisch noch) nicht unterwerfen.

Beweisskizze: Die nachfolgende prosozialistische Wirkung der Postulate und Dogmen von Marx lief auf die Beschränkung selbst gedanklicher Freiheitsgrade hinaus. Erst heute weiß man, dass sich diese Einschränkung auch auf den damals potenziellen Wissensraum (englisch: knowledge space) auswirkte. Durch seine Postulate, Axiome oder Regeln (z.B. den historischen oder dialektischen Materialismus) hatte Marx einen perfekten Totalitarismus geschaffen und gerechtfertigt (siehe Dogma der Diktatur des Proletariats), was möglicherweise nur instinktiv getrieben war. Wie bekannt, sind weltweit die meisten sozialistischen Regime, die auf unbewiesenen Postulaten basierten, um 1990 zusammengebrochen (3).

 

(D) Wenige Worte zu den Realitäten noch junger Geschichte

Mit diesen Ausführungen ist es nicht getan. Diese Darlegungen erfolgten nicht ihrer selbst wegen, sondern weil es zwingende Konsequenzen auf reale Erscheinungen (von Hajek: “Bildungen”) etwa Herrschaft und Gesellschaftsvertrag gibt. Die mathematische Denkweise bietet Sprachwerkzeuge, um Analyse und Beschreibung sozialer Phänomene / Prozesse kürzer und verständlicher darzustellen.

Die provozierende Frage lautet: Kann (beispielsweise) die Praxis der Sozialpolitik in Richtung der Überwindung von Problemlagen d.h., zu problemlosen, stabilen Verhältnissen konvergieren? Nein. Das hier dargestellte (4) Prinzip der sU spricht dagegen. Zwar löst Sozialpolitik akute aber eben nicht chronische Problemlagen, denn in jeder noch so reichen Gesellschaft gibt es unvermeidbar immer und aufs Neue die ärmsten Einzelnen. Sie selber oder spezialisierte Aktivisten werden den Claim nach sozialer Gerechtigkeit vorlegen und zumindest abgeschwächt durchsetzen. Wie die letzten Jahrzehnte zeigen, wird ggf. der Katalog der Menschenrechte erweitert oder neu interpretiert. Niemand kann gehindert werden, beliebig intelligent die Klaviatur der Prozesspolitik, Königsdisziplin des Geschäftes zu bespielen. Jeder Aktivist proprietärer Interessen ist hierbei gut beraten, die Ausführungen in Exkurs 1 im Auge zu behalten.

Gelegentlich sind diese Ausführungen zu ergänzen durch die Überlegungen von Humberto Maturana, der zwar Soziologen beeinflusste ansonsten aber die erkenntnistheoretisch folgenlose Feststellung machte, dass der Mensch ein autopoietisches System ist. Niklas Luhmann erkannte auf dieser Basis den selbstreferenziellen Charakter der (menschlichen) Gesellschaft. Resultat ist sein “Schiffbruch der Systemtheorie” und blieb, wohl gedanklich verführt, “nur Millimeter” vor der Formulierung der sU stehen. So notierte Luhmann am Ende des Vorworts zu “Gesellschaft der Gesellschaft”: “Wenn die Kommunikation einer Gesellschaftstheorie als Kommunikation gelingt, verändert sie die Beschreibung ihres Gegenstandes und damit den diese Beschreibung aufnehmenden Gegenstand.” Siehe Satz 2 und Satz 3. Es fehlt bei Luhmann nur die kurze Aussage: ”Die jeweils bisherige Theorie wird dann ungültig”.

Die Unbestimmbarkeit der real-aktuellen, insbesondere der jeweils neuen kausalen Wirkzusammenhänge sind eine Konstante des sozialen und sozialwissenschaftlichen Geschehens; es gibt Gründe, die das Problem weitergehend als wegen der sU noch verschärfen.

Zum Abrunden Wahrnehmbarkeit , Konsequenzen und alle Abschnitte von Theorie lesen

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(E) Fußnoten als Exkurse

(1) Verfallsdatum sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse: Viele bisherigen sozialwissenschaftlichen Ergebnisse können im Museum aufbewahrt werden, sollten aber niemals in die “Tonne gekloppt werden”. Der Nutzen der Sozialwissenschaften besteht, pauschal betrachtet. Es gibt nämlich eine Tendenz den Sozialwissenschaften die Wissenschaftlichkeit abzuerkennen; dem wird hier also ausdrücklich nicht gefolgt.

Die Sinnhaftigkeit, den Wissensraum für “Gesellschaftstheorie” im Hinblick darauf, Gesellschaft als Ganzes (besser) zu verstehen, immer weiter auszudehnen, ist allenfalls für “Herrscher” (geschlossene Gesellschaften, etwa der Rat einer Zentralbank) gegeben. Dennoch ist es vielfach “hilfreich” (nützlich), Teilaspekte gesellschaftlichen Seins mit einer beliebig viel oder wenig umfassend definierten Gesellschaftslehre zu “erklären”. In beiden Fällen gilt die sozialwissenschaftliche Unschärfe jedoch unerbittlich: Die Gültigkeit und der reale Nutzen solcher Erklärungsmodelle ist allerdings zeitlich begrenzt (Satz 3 und Satz 4).

Fazit: “Exzessive Sozialwissenschaft” sollte überwunden werden.

(2) Expansion zu Sokrates: “Ich weiß, dass ich nichts weiß”, soll Sokrates gesagt haben. Die Aussage greift zu kurz, denn weitergehend gilt auch:

Ich weiß nicht, “was” ich weiß. Streng: Ich weiß noch nicht einmal, “was” ich weiß.

Selbstverständlich kann der Einzelne Mitteilung von seinem Wissen machen. Nur: Wie viel vom Ganzen lässt sich mit passendem Zeitaufwand in das Gedächtnis rufen oder mitteilen/kommunizieren? Diese Aussagen zu akzeptieren, ist Teil intellektueller Demut und damit Voraussetzung, zumindest Hilfe zu Toleranz und tolerantem Verhalten

(3) Vermutung über den Ursprung von Dogmen: Das in Satz 4 dargelegte Jahrtausende alte Erfahrungswissen ist wohl der tiefere Grund dafür, dass politische Regime (d.h., Herrschafts-, oder Führungssysteme) zwecks Legitimation so häufig auf Dogmen (nicht überprüfbare Aussagen) zurückgegriffen haben und die involvierten Personen übrigens deswegen hochgradig totalitär agierten.

(4) “dargestellt”, da das Prinzip der sU schon vorher bestand und Wirkung entfaltete, aber nicht bekannt war.
 

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