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Der lernende Mensch

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03.12.20 / 12.06.17 / 22.01.17 / 31.08.04 / ... / 19.06.01

 

Lernen kann (gar) nicht vermieden werden

Lernen findet laufend, gar ununterbrochen statt, weil jedes Individuum gleichermaßen im Strom von Information lebt. Von diesem Strom wird stets mindestens ein Teil verarbeitet und original oder verändert gespeichert. Jedermann hat persönlich erfahren: Lernen verändert Verhalten (1). Verhaltensänderung, im weitesten Sinn des Wortes, ist schließlich Zweck jeglichen Lernens.

Der Rechner (Computer) im Individuum

Lernen ist im Menschen ein Vorgang der Informationsverarbeitung. Menschen sind jedoch informationsverarbeitende Systeme besonderer Art:

    Von den Fähigkeiten digital und analog zu denken, etwa der geheimnisvollen Fähigkeit der Bildverarbeitung und sicherlich manchem mehr abgesehen, unterscheidet sich die “EDV” im Menschen (so wie manchen anderen Säugetieren) vom modernen Rechner dreifach:

    • Weitergehend als im Rechner verändert sich nämlich beim Menschen im zeitlichen Ablauf, begleitet von individuellen Erlebnissen, die Hardware (Wachsen des Kindes, Plastizität (z.B. Phantomschmerz)), Kompensation kranker/zerstörter Teile des Nervenapparates)
    • Es entstehen im Menschen zahllose Programme (Software) originär, d.h., ohne formalisierte Werkzeuge. Das Individuum programmiert sich selber durch Üben oder Denken (2). Die Individuen, obwohl allesamt gleichwertiger Struktur, programmieren sich außerdem untereinander.
    • Das Ergebnis solcher Programmierung streut interindividuell.

Daten- und Wissens-Übertragung

Das Individuum überträgt bzw. reproduziert ggf. ohne äußeren Anstoß oder äußere Voraussetzung seine Datenbestände und Programme (Software), auf ein anderes Individuum. Aber komplett kann der Einzelne sein Wissen auf ein anderes Individuum nicht übertragen. Denn die Grenze der (etwa situativ) wahrgenommenen Realität, die jedes Individuum sich selbst schafft, die also die Menschen sich selbst schaffen, wird laufend verschoben, wobei sogar Wahrheit unentwegt neu definiert wird. Es fällt bereits während der Übertragung anderes / neues Wissen an, das seinerseits erst später weitergegeben werden könnte. Im besten Fall lässt sich ein Wissens-Gerüst übertragen, das nach der Übertragung (möglicherweise) eher nicht getreu dem Original vervollständigt wird. Es kann eine Kopie elementaren Wissens gelingen; ob aber komplexes Wissen vollständig im anderen Menschen reproduzierbar ist, erscheint zweifelhaft.

Die interindividuelle Spannung aufgrund nicht identischen Wissens wirkt wie eine Quelle oder ein Motor, d.h., Antrieb für Fortschritt des Wissens, stößt damit die permanente Evolution des Bewusstseins aller Individuen, d.h., der Menschheit an.

Mensch-Sein ist durch diese Aussagen nicht erschöpfend behandelt.

Mensch / Gesellschaft kann sich (selbst) nicht nachhaltig verstehen lernen.

Jedes Individuum weiß aus persönlicher Erfahrung, das seine (gespeicherte) Information vergessen werden, d.h., verloren gehen kann. Analog hierzu stellt sich manchmal bis oft gespeicherte Information, als unzutreffend, falsch heraus. Dies kann an der Änderung der Umstände, an fehlerhafter oder unvollständiger (ursprünglicher) Wahrnehmung, an fehlerhafter, ungeeigneter individueller Interpretation oder an Fehlern bei der Weiterverarbeitung liegen. Klar war schon immer: Lange bevor die Unendlichkeit der Kenntnis erreicht wird, besteht die Chance im hier verstanden Sinn (noch) zu lernen nicht. Das hängt nicht damit zusammen, dass das Individuum physikalisch begrenzt ist oder daran, dass die Grenzen zum Mikro- und Makrokosmos offen sind, sondern damit, dass

Verhalten = Funktion (aktiver Wissensbestand)

Deswegen gehen Kinder zur Schule, deswegen werden Studenten der Medizin mit Physik befasst (in keiner Gegenwart kann Zukunft vorausgesagt werden), deswegen gehört “lebenslanges Lernen” sogar zur politischen Agenda.

  • Kurzfassung der Überlegungen zu menschlichen Informationsverarbeitung: Lernen Viele, ändert sich mindestens das Verhalten gleich Vieler. Auch Forschen ist Lernen. Werden Erkenntnisse “veröffentlicht”, lernen (deswegen) Viele. Wird eine neue “Gesellschaftstheorie” bekannt, lernen dies Viele. Damit verändert sich deren Bewusstsein und aufgrund der zusätzlichen Erkenntnisse (Einsichten) ergibt sich - unter hinreichend ähnlicher Situation - ein anderes Verhalten dieser Vielen.

    Eine neu gelernte “Theorie der Gesellschaft” verändert logischerweise die Gesellschaft und muss also, gar zwingend, ggf. zeitversetzt, automatisch, ihre ursprüngliche Gültigkeit einbüßen (s. Unschärferelation als Handicap der Sozialwissenschaften (3). Es ist, als ob sich die Katze in den Schwanz beißen wollte; es funktioniert nicht, sie schafft das nie.
     
  • Weitergehende Frage in diesem Zusammenhang: Wissen Individuen jeweils gegenwärtig, wann sie welches Wissen gelernt haben werden, also ihr Bewusstsein ein anderes sein wird? (4)

Der Mensch, deswegen Gesellschaft, können sich also jeweils selbst nicht verstehen. Dem widerspricht nicht, dass Einzelne sehr wohl mehr Verständnis über die Gesellschaft haben können als andere Individuen; dies wird u.a. als Herrschaftswissen definiert.

Ende also, jeglicher großen, gar transzendenten Theorie der Gesellschaft? Ja. Jenseits von Wertepolitik, gemeinschaftlich angestrebter Ziele, gibt es gibt keine Theorie der Gesellschaft. Die Postulate jeder Wertepolitik sind allerdings Theorie in anderem Sinn: Wertepolitik hat nämlich stets den Status “Soll” (idealtypisch anzustreben) und niemals den Status “Ist”; andernfalls stünde die Menschheit vor dem Ende jeglicher (philosophischer, kultureller, usw.) Evolution; dem Ende der Evolution widersprechen viele Überlegungen und die historisch kumulierte Erfahrung.

Ja, zum Lernen, zu Bildung:

Kleinkinder, Grundschule, Beruf, Hochschule, Fortbildung mindestens bis zum Eintritt in die Rente. Es bremst die Notwendigkeit ausreichende auskömmlicher Erwerbstätigkeit; Kosten und Zeit sind Engpass. Also ist Fortschritt zu Bildung unverzichtbar. Dazu gehört auch nützliche von unnützen Lehrinhalten zu unterscheiden, und dies permanent zu überwachen. Lehrpläne und entsprechende Kontrolle, aber nicht Durchführung (Realisation) und nicht die Bildungsinstitutionen, sind eine sog. öffentliche, d.h., Angelegenheit in der Zuständigkeit des Staatskomplexes.

Nur das konsensuale weltweit gültige Menschenbild vorausgesetzt, müsste die dargestellte Sichtweise (bereits) wertepolitische und prozesspolitische Konsequenzen haben. Bis diese Einsichten reifen, kann noch viel Zeit vergehen.

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(1) unbewusste oder bewusste Reaktion auf einen Zustand
(2) Denken und daraus zusammenbauen, wiederholtes Einüben oder durch Wahrnehmung über die Sinnesorgane.
(3) Analogie aus der Physik: die Unschärferelation von Heisenberg. Es kann, so Heisenberg, nicht gleichzeitig Lage und Geschwindigkeit eines Elektrons bestimmt werden, weil schon Beobachtung und erst recht das Experiment den Prozess beeinflussen.
(4) Als vor vielen Jahren EDV und Computer bei immer breiteren Anwendungen eingesetzt wurden, gab es die Idee, Unternehmen in sicherlich komplizierten Modellen abzubilden und zwecks Prognose im Zeitablauf zu simulieren. Es gab eine intensive Diskussion über die notwendige Validierung der Modelle, gar über entsprechende allgemeine Methoden. Klar war, dass die Brauchbarkeit der Ergebnisse mit zunehmendem (künftigen) Zeitabschnitt der Simulation drastisch abnimmt. Erst spät wurde begriffen, dass nicht nur ex ante gewusst werden musste, wann welche Information im Unternehmen ankommt, sondern auch, wie im Zeitablauf das Beziehungsgefüge (sog. Struktur) der relevanten Akteure untereinander verändert wird. Den Algorithmus für die (künftige) Strukturänderung aber war, ist und bleibt auch künftig unbekannt. “Schluss d(ies)er Debatte”. 
 

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