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04.12.17 / ...  / 23.02.04,

Elemente liberalen Denkens und liberaler Politik

Marktwirtschaft: Sinn, Praxis, Probleme, Strategien

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Es werden benötigt: Abwenden vom Obrigkeitsstaat und der obrigkeitsstaatlichen Mentalität. Marktwirtschaft ist konzeptionell vom Kopf auf die Füße zu stellen:

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I. Sinnhaftigkeit der Marktwirtschaft

Die Idee der Marktwirtschaft startet mit der Überlegung größt möglicher Selbstbestimmung und Autonomie der Individuen und statuiert angesichts des Primats so wie des Gewaltmonopols staatlicher Institutionen und Personen, also deren Machtfülle, dass die Entgrenzung von Macht in den Händen jener, die letztlich Ihre Angelegenheiten im Rahmen des gesellschaftlichen Gefüges “selber regeln” nicht sinnvoll sein kann. Dieses lehrt die geschichtliche Erfahrung in vielfacher Weise.

Die Überlegung, dass die Individuen im Rahmen einer Gesellschaft als Organismus betrachtet werden, ergibt das Gebot der disjunkten Funktionen, Spezialisierung der Funktionalitäten und damit die Minimierung von intra-funktionellen Widersprüchen unter allen Individuen, die an ihrer Gesellschaft teilhaben.

Marktwirtschaft ist schließlich, eigentlich vor allem, Ausdruck von Demokratie, d.h., der Herrschaft aller, geteilter, breit gestreuter und dezentraler Zuständigkeit wie Verantwortung. Zentral gesteuerte Systeme sind nur dann robuster, wenn die Gesetzmäßigkeit der Wirkungsketten hinreichend gut bekannt sind. Dieser Umstand ist im Fall der Gesellschaft intelligenter Individuen nicht gegeben. Die läßt sich aus dem Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unschärfe sehr einfach ableiten.

Hinzu kommt, dass im Fall obwaltender Marktwirtschaft mit Akkumulation von Produktivkapital in privater Hand, die Schonung der investierten Ressourcen sich so  zu sagen aus Profit- Interesse von selbst ergibt.

Der Kontrast vom “politisch verfassten Unternehmers” etwa des Mittelalters, der sich in seiner hohen Zeit nach der Renaissance zum absoluten (totalitären) Herrscher entwickelte, liegt auf der Hand. Nicht ohne Grund setzte sich im Rahmen der späteren Aufklärung insofern die teilweise Entmachtung unvermeidbar Herrschender durch.

II. Praxis der Marktwirtschaft

Von den Zwängen und Sichtweisen der Güterproduktion entlastet, können die Personen, die im Bereich des Staats, d.h., des Staatskomplexes in idealer Weise die Funktionalität des gesellschaftlichen Schiedsrichters wahrnehmen. Dass dies nötig ist, ergibt sich aus der unterschiedlichen Begabung unter den Menschen. Die Neigung den jeweils Schwächeren zu übervorteilen liegt tief in der menschlichen, besser, der Geschöpfe-Natur: Der Überlebens- Instinkt. Ein weiterer Grund für die Unverzichtbarkeit des Staates, von beruflich im Staatskomplex tätigen Personen geführt, also materialisiert, liegt auf der Hand.

In der idealen Marktwirtschaft, ist Staat minimalistisch, allerdings desto mächtiger konfiguriert. Die Abweichungen vom idealen Verhalten(zu) vieler Marktteilnehmer in Verbindung mit Nachtwächter-Verhalten der zuständigen Leute gegen unzulässige Abweichungen(1) hat der sozialistischen Idee den Weg bereitet. Probleme werden durch Sozialismus zwar nicht gelöst, aber der Befund führt zu Ablehnung von Marktwirtschaft. Allerlei Kompromisse, die Fortschritt und Dynamik bremsen, sind daher einzugehen.

Ein Ärgernis hat sich seit Ludwig Erhard eingebrannt: Die verbreitete Verwendung des Wortes “soziale” vor “Marktwirtschaft”. Das Eine hat zum Anderen keinen Bezug. Soziales Mitfühlen beruht auf elementarer Menschlichkeit; etwa der zuzusehen, wie Einzelne dem Untergang nahe gerade noch Energie haben zu vegetieren; das gilt sogar für internationale Flüchtlingsströme. Die deutsche Gesellschaft gewährt auf Zeit humanitäre Aufnahme.

Marktwirtschaft dagegen heißt, dass die Resultate produktiver Aktivität den Elchtest der Abnehmer- (Nachfrager-) Akzeptanz durchlaufen müssen. Falls letztere nicht gegeben ist, folgt Ausscheiden, was im Einzelfall sogar ungewöhnliche Härte bedeuten kann. Der Gewinn dieser Härte sind Freiheit und vor allem Fortschritt. Die Umständen regeln sich, ohne dass die Obrigkeit meist störend eingreift.

Fazit marktwirtschaftlicher Praxis: Wasch mich ohne Nässe? Geht nicht.

III. Probleme der Marktwirtschaft

Theoretisch müssten sich in einer Marktwirtschaft stabile und für alle Individuen auskömmliche Verhältnisse einstellen. Das Leben der Menschen ist jedoch Praxis pur. Hinzu kommt, dass die theoretisch fundierte Vermutung nicht überprüfbar ist, weil die in Personen konkretisierte Gesellschaft (das System) endogenen und exogenen Störungen aller Art unterliegt. Etwa:

  1. Technologische Neuerungen, Brüche
  2. die entsprechend den spezifischen sozialen, kulturellen, ökonomischen und natürlichen Voraussetzungen unterschiedliche Anpassungsfähigkeit (global) kommunizierender Gesellschaften.
  3. Kriege, Auseinandersetzungen, Spannungen und soziale Veränderungen mit der Folge ökonomischer und politischer Reorganisation.
  4. Unterschiedliche Begabung und Ausgangsbedingungen der Mitglieder der Gesellschaft untereinander.
  5. Zunehmende Belastungen aller Art der Biosphäre, die zunächst Angst katalysiert und danach Populisten die Bühne öffnet.

Für Teile der Gesellschaft ergeben sich bei obwaltender Marktwirtschaft aus den beschriebenen Gründen die Belastung gelegentlichen sozioökonomischen Untergangs Einzelner oder Gruppen.

Es ist heute Tradition auf den (drohenden) Untergang Einzelner nach dem Gesichtspunkt von Gerechtigkeit zu reagieren; dies hat jedoch den Nachteil subjektiver Einschätzung in einer nicht endenden Diskussion über die Standards der Gerechtigkeit, die mehr Gerechtigkeit am Ende aber nicht hervorbringt, weil u.a. das Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unschärfe dem entgegenwirkt: Sobald ein Gerechtigkeitsniveau definiert ist, verändert sich das Verhalten der Individuen. Hinzu kommt, dass in der Demokratie das Schindluder mit dem Begriff der (sozialen) Gerechtigkeit nicht vermieden werden kann. Siehe hierzu weitergehende analytische und humorvolle Ausführungen. Die Langfrist-Wirkung etwa in Deutschland ist, selbstzerstörend, soziale Degeneration mit der Gratis-Zugabe steigender Gefahr einer wuchtigen Krise.

Sinnvoller rechtfertigt sich der Schutz für die schwächsten Individuen der Gesellschaft durch folgendes rationales Kalkül: Blieben die Schwächsten Individuen ihrem Schicksal (Untergang) überlassen, wären andere die Schwächsten. Auch diese “zweite Generation Schwächster” wäre von Untergang bedroht, usw. Die in solchem Gesellschaftsvertrag konfigurierte Gesellschaft wäre nicht lebensfähig. Jenseits jeglicher ethischer Gesichtspunkte gilt:

Schutz der Schwächsten ist Selbstschutz der Gesellschaft, die aus Individuen mit Selbsterhaltungstrieb besteht.

Es bleiben schwierig zu entscheidende Grenzfälle. Hilfreiche Überlegung: Ist es effizienter das gesamtgesellschaftliche Handeln (etwa die Risikobereitschaft) so auszurichten, dass die Schwächsten noch mitkommen oder ist es effizienter bei höherem Risiko den Gesamt-Ertrag zu mehren und die Schwächsten mit einem Teil des Mehrertrages zu versorgen? Jedenfalls leistet die Gesundheitsbranche u.a. nach diesem Prinzip: Durch Arbeit belastete Individuen werden durch die Dienste der Gesundheitsbranche - für Pflegepersonal, Pharmaindustrie, usw. sogar profitabel - “gesund gepflegt”.

Perfekt ist also die Marktwirtschaft mitnichten. Aber die Vorteile der Marktwirtschaft sind ebenso signifikant wie die Nachteile der Planwirtschaft, der das Sensorium für die erwähnten Störungen fehlt. Diese Aussage gilt für jedes Paar von Wirtschaftsordnungen in dem die eine marktwirtschaftlicher und die andere planwirtschaftlicher konfiguriert ist.

IV. Liberale Strategie

Wettbewerb ist durchaus unbequem. Daher haben einzelne Individuen schon immer versucht, sich dem zu entziehen. Bleibt es bei wenigen Fällen ist das Problem nicht relevant. Allerdings hat der Wunsch nach bequemen Leben fatale Konsequenzen: Der Wunsch ist nachhaltig ansteckend. Obrigkeitsstaat, Kartellierung, Monopolbildung, Ideologien zwecks Legitimation sind hierzu die wichtigsten Erscheinungen. Hierbei ist einzusehen, dass solche Erscheinungen, weitgehend von großen Mehrheiten geduldet, ihrerseits Angebote am (politischen) Markt sind. Phänomene der Verhaltensökonomie verbessern die Marktgängigkeit noch so verlogener Versprechen heiler und wohl geordneter Welt.

Bedauerlicherweise schneiden sich die Interessen von Konservativen und Sozialisten optimal. Die Schnittmenge: Der Obrigkeitsstaat, in dem für die Führenden vielerlei “gute” Positionen “auf sehr natürliche” Weise geschaffen werden (“dürfen”); entsprechend groß die Zahl der Mitläufer. Das Weitere wird durch die politische Kommunikation der Marktführer erledigt.

Erschwerend kommt hinzu, dass in einer Gesellschaft mit obrigkeitsstaatlicher Geisteshaltung Liberale, die für Marktwirtschaft (mit politisch strikt neutraler Staatsverwaltung) eintreten, nur bedingt “kompetenter sein” können als der so genannte Mainstream. Andernfalls wird die Botschaft, angesichts konzeptioneller Flughoheit der Marktführer, schlechterdings nicht verstanden.

Aber genau in Letzterem liegt der Vorteil für die Liberalen: Die anzustrebende marktwirtschaftlichen Ordnung ist so wenig Realität, dass der Fundus von “ein bisschen mehr Marktwirtschaft” schier unerschöpflich ist. Die zentral gesteuerte Gesellschaft funktioniert erwiesenermaßen nicht; sie muss und kann rational argumentierend überwunden werden. Also ist auf der Basis von Systemkritik unermüdlich etwas mehr Marktwirtschaft zu fordern als zum jeweiligen Zeitpunkt installiert ist. Mehr als etwas mehr darf es aber auch nicht sein; schließlich gilt die sozialwissenschaftliche Unschärfe auch für Liberale: Kein Mitglied kann seine (eigene) Gesellschaft verstehen, also erst Recht keine Prognose über ihr Verhalten abgeben, erst recht nicht unter anderen, durch Reform veränderten Bedingungen. Also muss liberale Prozesspolitik umsichtig bzw. Versuch und Irrtum operieren. Mehr Marktwirtschaft kommt/geht nur streng evolutiv. Auch Sozialisten handeln heute nach dem Prinzip der sogar homöopathisch dosierten Evolution - allerdings in die entgegengesetzte Richtung der Liberalen.

Evolution ist die Schnittmenge aller Demokraten. Also gibt es die Bedingungen für “mehr Marktwirtschaft”. Sowohl Liberale wie Sozialisten akzeptieren das Prinzip von “einen Schritt zurück, zwei nach vorne”. Liberale sollten bzw. müssen also etwas schlauer (das ist ziemlich umfassend gemeint) sein als Sozialisten. Und, sehr hilfreich ist es, zwecks Glaubwürdigkeit das dem Programm entsprechende öffentlich relevante Verhalten tatsächlich an den Tag legen. Elite bleibt unverzichtbar, muss aber wirken wollen und können.

Kann das so schwierig sein?

V. Marktwirtschaft im politischen Vertrieb

Die Zustimmung zu  M a r k t w i r t s c h a f t  (2) muss, unter Ausschluss jeder Form von Zwang, wesentlich verbreitert werden. Das entspricht inhärent liberale Geisteshaltung, denn immerhin steht Marktwirtschaft, die notwendige Konsequenz aus dem liberalen Konzept der “Bürgerrechte”, ebenfalls im Fokus der Staatslegitimation.

  • Argumente für Marktwirtschaft ergeben sich zunächst aus dem emotionsfreien, nüchternen Kontrast zur Planwirtschaft, die übrigens heute nur selten vertreten wird.
     
  • Weniger Fremdbestimmung, d.h., merh Freiheit beruht auf dem liberalem Menschenbild des autonomen Individuums
     
  • Kontraproduktiv bleibt, nicht zuzugeben, dass es unter marktwirtschaftlichen Verhältnissen (auch) ungünstige Wirkungen gibt.
     
  • Es liegt nahe, dass etwa aktive Unternehmer für Marktwirtschaft eintreten. Was aber denken Tausende Personen, die keine Eigentümer von Produktivkapital sind? Gründliche Umfragen müssten jenseits des vordergründigen Urteils “mehr Wohlstand” eine schier unerschöpfliche Quelle zustimmender Aussagen.

Umgangssprachlich zusammengefasst, ist Marktwirtschaft:

  • demokratischer unter mehreren Gesichtspunkten
  • Umwelt schonender
  • robuster gegen Störungen
  • reagiert sensibler auf Veränderungen

Abschließend betont: Marktwirtschaft ist die Konsequenz obwaltender Bürgerrechte - nicht umgekehrt. Marktwirtschaftliche Praxis veredelt Menschenrechte, Bürgerrechte und Demokratie. Marktwirtschaft ist die Vollendung der Menschenrechte.

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(1) teilweise im 19 .Jahrhundert nicht einmal bewusst
(2) Wie selbstverständlich mit Akkumulation von Produktivkapital in privater Hand.
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