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16.01.19
Der Bürger und sein Staat
Der Beitrag ist gefühlt zu lang geworden, textlich nicht
optimiert und - das bedingt das volatile Sujet - nicht abgeschlossen. Nur wenige fehlende Bürgerrechte wurden im entsprechenden Abschnitt notiert. Die Dynamik der ökonomischen, sozialen und politischen Prozesse wird
weitergehende Ideen zweifellos auf die Tagesordnung bringen. “Bürger und Staat” bleibt unter der Kuratel kritischer Beobachtung.
Bekanntlich gilt das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, d.h., zwischen zivilen
Bürgern und den Personen, die die Handlungen der juristische Person des Staates ausführen, als zumindest angespannt.
Seltsamer Befund. Von außen betrachtet wäre nämlich eine Aussage wie Folgende unstrittig:
Warum also sollte das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, sein Staat, etwa auch
nur angespannt sein? Aus der Innenansicht stellt sich der Prozess eben anders dar.
Geschichtlicher Abriss
Bis zur Aufklärung gab es von wenigen Ausnahmen (etwa
Griechenland) abgesehen, ausschließlich totalitäre staatliche Institutionen. Dem Diktat weniger Personen durfte / konnte sich niemand entziehen. Freiräume wurden dem Einzelnen im Wesentlichen ungefragt, bisweilen gnädig zugeteilt. Später
das noch heute so genannte Wahlrecht (1).
Zunächst in Einzelfällen mehrten sich allmählich die Fälle in denen die
Herrschenden auf die Akzeptanz ihrer Öffentlichkeit achteten.
Nach dem Mittelalter wurden die ersten Parlamente eingeführt,
der exekutiven Gewalt schrittweise Zügel angelegt und vor allem die Unabhängigkeit der Justiz nach und nach ausgebaut. Die Emanzipation des Individuum wurde “auf den Weg gebracht”. Die Aufklärung, Genese von Liberalismus und heutiger Demokratie, gipfelte schließlich in der Idee des Volkes als Souverän. Die Moderne hatte
begonnen und wurde durch die sog. industrielle Revolution verstärkt.
Technik und Wissenschaft, d.h., Technologie kam wie eine
Lawine, erfasste die Menschheit zunächst unterschiedlich intensiv. Technologie ermöglichte und förderte die Gesellschaft der Massen. 1929 veröffentlichte José Ortega y Gasset sein Buch “Der Aufstand der Massen”. Seine Befunde
sind Meilensteine, was daraus - neben der Ablehnung von Nationalismus - folgt, wird noch zu sehen sein bzw. die Zukunft erweisen. In der Massengesellschaft wird die Freiheit des Einzelnen und das sich daraus ergebende Rechte-Inventar
trotz vorteilhaftem technischem Fortschritt aufgrund unterschiedlicher Sachzwänge auch eingeengt. Dies hat dazu beigetragen, dass der Prozess der Emanzipation des Individuums eher regressiv, auf jeden Fall zum Stehen gekommen ist.
Die Lage heute
Für das Folgende werden die Freiheit und Bürgerrechte einschränkenden Wirkungen
der zahlreichen häßlichen Diktaturen der letzten 150 Jahre nicht betrachtet, weil diese auch künftig weder typisch noch als erstrebenswerte gelten.
Der entscheidende Grund für das angespannte Verhältnis zwischen Bürger und Staat,
d.h., zwischen den Individuen der Zivilgesellschaft und den in den staatlichen Institutionen (Staatskomplex) Tätigen Individuen ist die schlichte Tatsache, dass die einen mit den anderen Individuen um Rechte und Privilegien ringen.
Die Individuen der Zivilgesellschaft haben spezifische Interessen; bei aller Gemeinsamkeit die Individuen beim Staat eben auch. Diese Interessen, im Wesentlichen die Folge unterschiedlicher (sozialen) Rollen (2), sind nicht kompatibel. Das ist nichts Neues, Theorien die zwecks Beschwichtigung das Phänomen herunterspielen wirken seit langer Zeit.
Es gibt viele Faktoren die unter dem Gesichtspunkt faktischer Logik das
Rechte-Inventar des Individuums schmälern. Kursorisch dargestellt sind diese Faktoren die Folgenden:
- Die Massengesellschaft wie ausgeführt.
- Die sozialen Merkmale streuen inter-individuell heue stärker. Durch den
gegenläufigen Impetus werden individuelle Rechte gekappt. Regierbarkeit hat beinahe den Charakter eines Schlachtrufes
- Die weiter fortschreitende Arbeitsteilung erhöht die Abhängigkeit aller Bürger
untereinander. Entsprechend wird das Rechte-Inventar des Individuums dezimiert.
- Als Folge der zunehmenden Arbeitsteilung hat auch die Komplexität der
Gesellschaft zugenommen. Es sprudeln neue Institutionen, neue Kommissionen und neue Stellen etwa als Instanzen der Kontrolle und Überwachung kommen wie aus dem Nichts.
- Insgesamt ist Staat wichtiger geworden und beherrscht weitergehend als zum
Primat erforderlich die Szene des Geschehens auf Kosten des individuellen Rechte-Inventars.
All dies ist rechtfertigt in keine Weise etwaige Verrohung des Umganges oder
gefährdet gar die Demokratie, die angesichts zunehmender Komplexität mehr denn je großen Nutzen, etwa unter dem Gesichtspunkt von Dezentralisation, erzeugt.
Die wesentlichen Probleme:
- Schon die Familie fordert vom Individuum Pflicht-Erfüllung. Erst recht das
Gebilde des Staates. Die hinreichende bzw. angemessene Erfüllung von Pflichten setzt geeignete Einsichten und Überzeugungen des verpflichteten Individuums voraus.
- Die Abgrenzung der Handlungen jedes Staats-Vertreters mit seinen spezifischen
Zuständigkeiten von den persönlichen Belangen des Individuums kann theoretisch beliebig scharf beschrieben, festgelegt werden. In der Realität gehen beide Sphären ineinander über. Es bestehen sog. Grauzonen:
- Das (staatliche) Individuum wünscht für die Erfüllung seiner Aufgaben viel
technische Ausstattung, viel Finanzmittel und viel Zeit. Über die Angemessenheit der im Einzelfall verfügbaren Ressourcen entscheiden andere (staatliche) Individuen. Die Mitglieder der Zivilgesellschaft haben reguläres
“Rederecht” nur im Fall von Exzessen.
- Im Bereich des Staatskomplexes gibt es (positiven) Wettbewerb um die höherrangigen Stellen. Dies führt zu teilweise intransparentem Geschehen.
- Die (staatlichen) Individuen sind gehalten, auch bei unterschiedlichen
Ansichten und Absichten miteinander zu kooperieren. Dies ist eine weitere Quelle von Intransparenz (3)
- Noch lange bevor die Gesellschaft zum Ameisenstaat verkommt, erfordert das
soziale Miteinander eine gewisse Angleichung der Einsichten und des entsprechenden Verhaltens. Aus Sicht der Individuen im Staatskomplex soll die Angleichung umfassender sein als dies den Wünschen der zivilgesellschaftlichen
Individuen entspricht. Das Argument, die Kosten treibender Individualität trägt manchmal. Aber nicht immer. Der Disput um diese Fragen transzendiert.
- Aus der Zeit gefallen ist der Anspruch der Herrschenden sich der
Kontigentierung der Einnahmen zu verweigern. Ein archaisches Vorrecht wird auch heute mit Zähnen und Klauen verteidigt. Kern-Aussage: “Alle Einnahmen in einen Topf”.
- Weitere Problemquellen sind Sicherheit, die Diplomatie der internationalen
Beziehungen, so wie Randgebiete der Finanzpolitik.
- Die Akteure, Vertreter, usw. des Staatskomplexes erzeugen eine Flut von
Informationen, die letztlich die Mehrheit der Bürger ertränkt. Hierbei wird bisweilen simpel bis irreal argumentiert. Ein Beispiel für diese Kritik ist “Schwarzrotgold, das Magazin der Bundesregierung”, Heft 01/19.
Geboten wird die staatliche Nabelschau mit Behauptungen aller Art, die jeder gerne glauben darf, aber nicht nachvollziehbar sind. Zum Nutzen der EU für 500 Mio Personen kommt auf 19 Seiten eine Nabelschau mit obligatem Foto und
lächerlichen Grafiken. Ob die Freizügigkeit von Personen, Gütern und Geld verbessert wurde sollen sich “die Menschen” (gefälligst) selbst überlegen - auf Basis der gebotenen Nabelschau.
Bürgerrechte gibt es. Welche fehlen
Freiheit und Bürgerrechte gehen ineinander über. Verweigerte Freiheit hat
fehlendes Bürgerrecht zur Folge:
- Unzureichender Datenschutz.
Unter technischem Gesichtspunkten seit Beschluss des ersten Gesetzes zu Datenschutz, eine Farce. Aber auch konzeptionell falsch aufgezogen. Das Eigentum an jedweder Information zur Person müsste den Kern des Anspruches auf Datenschutz bilden. Ausgenommen hiervon wären Bilder, Worte und Schriften, die vom Eigentümer allgemein zugänglich, d.h., öffentlich gemacht wurden. Die diesbezügliche Beziehung des Individuums mit dem Staat wird durch das Strafgesetz zum Schutz des Daten-Eigentümers bestimmt.
Neue Masche in Folge ungenügendem rechtlichen Schutz persönlicher Daten
:
“Cookies” nur gegen die Hergabe persönlicher Information als Bedingung für die Lieferung von Nachrichten sind zu verbieten. Ende jeder Durchsage, das gilt besonders wegen dem schwachsinnigen Vorwand Cookies gestatteten den Lieferanten bessere kundenseitige Nutzbarkeit ihrer Portale.
- Inadäquate Information,
vorgetäuschte Transparenz ist Gang und Gäbe. Keine Frage, dass eine beliebige Person, die dies und das studiert hat, sehr viel über die Tätigkeit in staatlichen Institutionen erfahren kann. Die überwältigende Mehrheit der Bürger hat
solche Fähigkeit nicht, weshalb sie eben nicht Bescheid weiß.
Beispiel Web-Site des Bundestages. Der Bürger will wissen, was gesagt, was beschlossen wurde, was beschlossen werden soll, welche Anfragen die Parlamentarier
gestellt haben und wie diese Anfragen beantwortet werden. Die Suche nach freien oder vorgegebenen Stichwörtern wird durch Zugang nach dem Kalender ergänzt. Fertig ist Kiste, nicht einmal komplex zu programmieren.
Schon der Blick
auf die Web-Site www.Bundestag.de ernüchtert wie ein Keulenschlag. Was soll das? Der Bundestag ist keine Anstalt für Volkserziehung oder Volksbelehrung. Die Damen & Herren Abgeordneten sind zu Rechenschaft verpflichtet. Ob sie feiern oder reisen, die Parteien sich Knüppel zwischen die Beine schmeißen, per Proporz von allen als Kompromiss etwas gebracht wird, sich die Damen & Herren auf Spezialgebieten fachlich weiterbilden, ist genauso daneben, wie dass Information zu den VN auf der Web-Site des Parlamentes nichts zu suchen hat. Entweder die BT- Verwaltung hat zu viel Geld oder die Angestellten langweilen sich. Und dann wird drauf los programmiert. Ob die Web-Site für den Adressaten-Kreis, nämlich den durchschnittlichen Bürger, benutzerfreundlich gestaltet ist, hat vermutlich niemand geprüft. Die Dinge gehen halt ihren sozialistischen Gang.
Beispiel Web-Site der Bundesregierung. Um Vieles - besonders, da noch umfangreicher - schlimmer als die Web-Stie des Bundestages: Graphisches Feuerwerk und Selbstdarstellung des Ministers, seiner Marotten, Vorlieben usw. haben neben sachdienlicher Information den wichtigsten Platz. Der Bürger will aber “nur” wissen: Wie sind die Ministerien mit jeweils wie vielen Mitarbeitern in den organisatorischen Einheiten strukturiert, welche sind, hinreichend detailliert, die Zuständigkeiten dieser OE, jeweils das Gleiche für die sog. nachgelagerten Behörden; welche Projekte laufen? Was sind die Ergebnisse der abgeschlossenen Projekte? Dazu zählen auch Tätigkeitsberichte, etwa wieviel Vorgänge der Art XYZ wurden bearbeitet oder sogar abgeschlossen.
Statt das Wesentliche transparent zu bringen, fluten die Damen & Herren Staatslenker die Bürger mit nicht strukturierter Information und eine Menge Nonsense - wie zur Ablenkung? Der Mangel des Bürgerrechts besteht darin, dass fundierte und qualifizierte Kenntnis der staatlichen Aktivität für die Wenigen aber nicht für die Vielen gegeben ist. Sollen die Bürger noch Jahrhunderte warten? Also “ran an die Bouletten”. Aber ohne Rechtsbruch oder Gewalt.
Keine Frage Das Vorstehende wird als Majestätsbeleidigung betrachtet, die Damen & Herren wollen ihre Freiheiten, statt die Hosen herunter zu lassen, obwohl sie einzig allein für den Souverän, sozusagen als Lieferant von Staatlichkeit berufen sind. Ob Sozzen und Konsen die klaffende Lücke zwischen ihrem Ist- und ihrem Soll- Bewusstsein kennen?
- Bevormundung, ein besonders
düsteres Kapitel. Das Bürgerrecht auf Selbstbestimmung umfasst entscheidende Aspekte nicht. Staat erlaubt beispielsweise nicht:
flexiblen Eintritt in die Rente, Wahl des Umfanges der Versicherung gegen Krankheitskosten, warum monopolisieren die für den Staat tätigen Personen die Schulbildung, statt Gutscheine zu verteilen, die Eltern bei der Schule ihrer Wahl einreichen? Warum 2019 Zwangsbeitrag zur Finanzierung des Staatsfunks?
Dies sind neben den anerkannt-etablierten wenige von vielen weitergehenden
Forderungen oder Wünschen zu Bürgerrechten. Da das Leben “unter den Wolken” stattfindet, kann weder Freiheit noch die sie stützenden Bürgerrechte grenzenlos sein; den Personen, die im Staatskomplex tätig sind, soll ihre
Arbeit nicht grenzenlos erschwert werden. Ein auf Zeit und Umstände angemessenes Gleichgewicht zu finden grenzt an Kunst, ist aber keine Quadratur des Kreises.
Ein wenig Bewunderung und Kompliment im folgenden Begriff vorausgesetzt kann
“Banausen” im Folgenden ohne Verletzung der ominösen p. Korräckckttnäßß bedenkenlos eingesetzt werden.
Sie die politischen Banausen haben - weltweit gleichermaßen - so ihre “Angewohnheiten”.
- Häufig werden Anliegen zu Bürgerrechten abgelehnt, weil dies gegen den
Gemeinsinn verstoße. Das kann im Einzelfall, insbesondere bei Wünschen, die aus heutiger Zeit fallen zutreffen. Allerdings darf nicht zugelassen werden, dass solche Gründe vorgeschoben werden, weil sich die Damen & Herrn nicht
inkommodieren lassen wollen
- Etwa ihre Meinung ohne rationale Begründung wie die Wetterfähnchen ändern.
Zwei Beispiele, als quasi Beweis sind:
- In Großbritannien wird behauptet nach dem Brexit strahle die ökonomische
Sonne über dem Land. Es wäre durchaus spannend Reden vor dem Eintritt in die EU vor einigen Jahrzehnten nachzulesen. Wieso, warum haben sich die Bedingungen geändert? Gibt es bezogen auf die Lage damals nicht eher mehr Gründe für die
Beteiligung von UK an der EU?
- Laut KStA, 15.01.19, S.2, wird in der SPD - nicht der amtierende Sozial- und
Arbeitsminister - heute vertreten, dass pekuniäre Sanktionen gegen von ALG-II- Empfänger, die ihren Pflichten nicht nachkommen “sinnlos” seien. Begründung dafür bringt KStA - wie üblich bei derartigen sozialen Forderungen
nicht. Bei Zusammenlegung der früheren Sozial- und Arbeitslosenhilfe waren solche Sanktionen offenkundig nicht sinnlos. Welche neuen Bedingungen gibt es, so dass die heutige “Sinnlosigkkeit” erklärt werden kann
Aus allem folgt, dass die Aussagen von Personen im Staatskomplex, insbesondere
ihren Geschäftsführern, den Politikern, nicht durch Akkuratesse oder Zuverlässigkeit gekennzeichnet sind. Daraus folgt:
Es bleibt jetzt und noch lange richtig, dass beim Verlangen von mehr Bürgerrechten Zimperlichkeit nicht angezeigt ist.
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- (1) “Ich wähle, also bin ich” ist praktische Realität, aber auch (künftiges) Programm (2)
siehe Ralf Dahrendorf (3)
Etwa der Ablauf der Verhandlungen (Protokolle) in parlamentarischen Fachausschüssen werden nicht veröffentlicht. Andernfalls würden die beteiligten Parlamentarier “sich privat treffen”. Mehr Transparenz ist funktionell in diesem Fall also nicht sinnvoll.
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