Liberale Dialektik |
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01.01.21 / 25.02.20 / 01.02.17, 18:00 / ... / 03.07.05
(Politische) Aussagen kontrastieren oder glätten? Das hängt von der Absicht des Handelnden ab. CDU/CSU und SPD glätten (“verdurchschnittlichen”), weil sie stets die Absicht haben, Wähler mit sehr heterogenen politischen Standpunkten über den Kamm zu scheren, damit gleichermaßen zu gewinnen. Die “neue Mitte” der SPD’1998 ist Ausdruck dieses Prinzips. Bei der CDU/CSU ist die Angewohnheit von Durchschnittsaussagen ebenfalls ausgeprägt. “Soziale Marktwirtschaft”, “Sozialstaat” oder paritätische Finanzierung der Sozialpolitik (von der SPD inzwischen übernommen) sind die wichtigsten Beispiele. Dies führt zwar zur wörtlichen Übereinstimmung aber nicht zum inhaltlichen Konsens. Konflikte werden systematisch unter den Teppich gekehrt(Marxismus: Mechanische Auflösung von Widersprüchen) und wirken aber weiter, weil die Teilprobleme ungelöst bleiben. Ernst zu nehmende politische Praktiker vertreten hierzu die Auffassung, “Aussage-Glätten” sei für das politisch-gesellschaftliche Konflikt-Management erforderlich: Frieden durch Jede “Aussage-Glättung” verunklart, fördert Intransparenz und Willkür bei der Auslegung, steht damit in Widerspruch zum Gedanken der Demokratie (2). Hierbei ist unerheblich, ob eine konkrete “Aussage-Glättung” sich trial-error bewährt hat oder durch formalen Kompromiss entworfen wurde. Zu bedenken in diesem Zusammenhang, dass sowohl Meinung wie Evolution von Meinung multivariable Phänomene sind, die überdies grundsätzlich nicht verstanden werden können. “Die Handelnden wissen realiter bestenfalls partiell, was sie tun”.
Dialektik als Methode Marxisten / Sozialisten setzen Dialektik ein, um Widersprüche aufzuzeigen. Dem folgt, etwa auf Basis (zuvor)neingefahrener politischen Korrektheit, die Denunziation “unhaltbarer Zustände”. Der Widerspruchs-Überwindung (Synthese) wird, da Sozialismus wissenschaftlich sei, stillschweigend gesellschaftlicher Fortschritt unterstellt, was den Aussagenden zur Übernahme “der Macht” legitimiere. Wahrgenommene Plausibilität ist angesichts der Ungenauigkeit des Denkens ein wichtiges Kriterium für individuelle Zustimmung; das Weitere ergibt sich aus real erinnerten Aussagen (3) im kommunizierten Kontext. Letzterer ändert sich nur langsam. In der operativen Politik (taktische, strategische Prozesspolitik) kommt es Sozialisten also darauf an, mit hinreichend komplexen und diffusen Begriffen (Operanden) bei Vielen die wahrgenommene Plausibilität der Argumentation zu verbessern, um so deren Zustimmung an der Wahlurne zu gewinnen. Einzusehen ist noch, dass vom Einzelnen akzeptierte Entindividualisierung, d.h., Angleichung an den Anderen, den Konsens im Rahmen des (intellektuell-basierten) Diskurses erleichtert. Hierbei treffen sich die Intentionen von Sozialisten und Konservativen jeweils inhärent und folglich sogar symbiotisch. Resultat: Personen aus dem Kreise des Staatskomplexes bevormunden auf Grund der Lehre von der Auflösung der Widersprüche systematisch Personen aus dem Kreis der Zivilgesellschaft. Resultat: Farm der Tiere nach George Orwell.
Liberale gehen den umgekehrten Weg: Antidialektik Widersprüche können durch “Löschungen” aufgehoben werden. Verbote löschen, vernichten Verhaltensvarianten (“Freiheit”), etwa sogar Märkte. Solchem Ansinnen dient der totalitäre Staat. Denkbar ist auch gedankliches Löschen. Etwa den Widerspruch von Kapital u. Lohn dadurch aufheben, dass Kapital der Enteignung zur Disposition gestellt wird (4). Der Widerspruch erscheint gelöscht - unabhängig von dem Problem der Umsetzung. Die Denunziation “der Heuschrecken” hat die gleiche Wirkung - übrigens unter schlitzohriger Nutzung weitergehender Assoziation bei den Empfängern, den einzelnen Wählern. Das Prinzip, in einem Satz: Grau in “weiß” und “schwarz” zerlegen und getrennt bewerten, darin besteht liberale Dialektik. Eine konzeptionelle Synthese zu entflechten, gar in Widersprüche aufzulösen, konterkariert also sozialistische und konservative Prozesspolitik. Außerdem wird Kommunikation durch Komplexitäts-Reduktion der Begriffe enorm erleichtert (i.S. von verbessert). Dies entspricht dem Prinzip, ein komplexes Problem dadurch zu lösen, dass die (einfacheren) Teilprobleme separat, ggf. sogar nacheinander gelöst werden. Beispiel Investitionen, auf Basis Meinungsfreiheit Christian Lindner im BT am 09.12.20 zur Notwenigkeit den Bundeshaushalt zu sanieren (ab 1:09:00 BT Video): Sie, SPD, SED, Sog.Grünen setzen - ihre DNA, es sei ihnen zugestanden - auf öffentliche Investitionen, inclusive der “Investitionslenkung durch ‘den Staat’, der Planung der Transformation am wortwörtlichen grünen Tisch. Das kann man auch so wollen. Wir (FDP) setzen ... auf die soziale Marktwirtschaft in der der Staat gute Rahmenbedingungen schafft, damit private Investitionen Zukunft schaffen” ... wodurch öffentliche Investitionen entbehrlich werden weil Deutschland endlich wieder attraktiv werden könnte für ausländische Direktinvestitionen. Prinzip Kontrast auf Basis “Freiheit” herstellen und die bessere liberale Lösung darstellen.
Beispiel Soziale Marktwirtschaft gilt als Synthese von (sozialer) Gesellschaft und Markt-Wirtschaft in der Widersprüche konzeptionell aufgehoben sind. Grundgedanke ist, Gesellschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeit so zu verbinden, dass jedes Individuum würdig lebt und Güter effizient hergestellt werden. Problem: Es gibt keinen Maßstab, um Würde und Effizienz gegeneinander zu wiegen. Jede “soziale Forderung”, sei sie noch so exzessiv, lässt sich im Konzept der “sozialen Marktwirtschaft” unterbringen. Und wehe, die “Forderung” wird abgelehnt: “Totengräber der sozialen Marktwirtschaft,” die postwendende Denunziation. Siehe 7 Jahre Grünrot. Ein weiteres gutes Beispiel, die PM 350 / 05 der SPD vom 6. Juli 2005. Liberale trennen zwischen Sozial (“weiß”) und Marktwirtschaft (“schwarz”), akzeptieren den (vermeintlichen) Widerspruch und lösen beides separat. Die Individuen jeder Gesellschaft benötigen, wollen Sozialpolitik. Gehen nämlich die jeweils Schwächsten unter, geht nach und nach die Gesellschaft unter. Sozialpolitik muss also sein. Unabhängig von der Wirtschaftsordnung. Da einerseits Sozialpolitik prinzipiell “steht” (“weiß”), kann sich andererseits Marktwirtschaft (“schwarz”) entfalten. Nur extreme Lagen sind per Rechtsordnung zu regeln: Keine Monopole (systemwidrig), keine Diskriminierung und keine Ausbeutung Schwacher (Achtung der Menschenwürde jederzeit).
Beispiel Gewerkschaften Sozialisten wollen für Gewerkschaften eine umfassende Zuständigkeit, schließlich vertreten sie die Mehrheit, nämlich die Arbeitnehmer. Problem: Höheren Lohn haben zu wollen, ist zunächst legitim; auch dann noch, wenn deswegen das einer oder andere Unternehmen Insolvenz anmelden muss? Ein handelndes Subjekt für (a) Gehaltsforderung und für (b) gesamtgesellschaftlichen Gestaltungsanspruch sind zwei Interessen in Einem, mit der Folge dass die Verantwortung für das Ganze - bereits geschehen - zu kurz kommt: Nicht einmal 4 - 5 Mio Arbeitslose von 2004/2005 bremsten den Wunsch nach Lohnsteigerung. Liberale trennen die Funktionen. Ja, zum Arbeiterverein, ja zur Vertretung der Arbeitnehmer als Einzelne (“weiß”). Nein zu Befugnissen im volkswirtschaftlichen und politischen Raum (“schwarz”). Deswegen schrittweise “Entmachtung” der Funktionäre - so lange “Vertretung” noch wirksam (“weiß”) und der gesamtpolitische Einfluss (etwa Fähigkeit Eigenkapital der Unternehmen systematisch zu dezimieren, “schwarz”) vernachlässigbar wird.
Beispiel Staat Sozialisten wollen den Sozialstaat, der Verantwortung sozialisiert und Solidarität für jeden Einzelnen organisiert. Problem: Mensch-Mensch-Beziehungen werden systematisch durch Mensch-Staat-Mensch- Beziehungen ersetzt. Der omnikompetente Staat ist schwach: Politiker werden für alles verantwortlich gemacht, treten nicht gegen jedermann neutral auf, verkommen zum wandelnden Vermittlungsausschuss, vertreten Interessen und generieren Minderheiten. Liberale: Der Einzelne wird nicht vergesellschaftet. Sein privates (“weiß”) besteht genauso wie sein öffentliches (“schwarz”) Sein. Der starke liberale Staat hat die Funktion eines (politischen) Richters für viele unterschiedliche Fälle. Da die staatlichen Agenturen (Staatskomplex) dem Einzelnen nur das abverlangen, was alle Einwohner gemeinsam interessiert, ist der so gesehen starke Staat nicht totalitär und damit für alle akzeptabel. Selbstverständlich ist es ein großes Problem in einer egoistischen, nehme-was-Du-kannst- Gesellschaft Fairness als Leitbild für individuelles Verhalten zu verankern. Da dies auf jeden Fall wünschenswert ist : Wollen steht am Anfang.
Beispiel Sozialismus Sozialismus-Kritik ist bekannt. Sozialisten daher “an den Mond schießen”? Lösung: Menschen nie entwürdigend, etwa mit Tierbezeichnungen qualifizieren; Liberale: Kritik, auch Polemik, zielt stets auf (erkennbares) Verhalten ab. Das mag oft ungünstig sein, aber manchmal eben auch gut, aber nie pauschal gut oder schlecht. Sozialisten haben damit jedes ‘Recht’ (“weiß”) ihr Programm zu vertreten und im Rahmen demokratischer Prozesse auch umzusetzen. ABER ihr Programm ist unmoralisch (z.B. betrügerisch, “schwarz”), weil die entsprechenden Verheißungen und Versprechen nicht realisierbar sind.
Beispiel Solidarität Verdient jeder Mensch, der Kummer hat etwa finanzielle Solidarität? Liberale: Nein. Nur wer von sozioökonomischem Untergang akut bedroht ist, erhält das Erforderliche, um Untergang zu vermeiden; dann allerdings koste es was es wolle (“weiß”); auch wenn das Anderen fühlbare ökonomische Einbußen (“schwarz”) auferlegt. Menschenwürde geht vor. Keine “Solidarität” also etwa dem früheren GmbH-Geschäftsführer, der aus welchem Grund auch immer künftig sein Brot am Empfang verdient. Wider die Einrichtung von sozialen Trittbrettern für Mitfahrer ohne Leistungs-Ticket.
Beispiel Befreiung Staat zum Schutz aller. Daher sind Beiträge (mit Freiheitsverlust) im Prinzip von allen erforderlich. Staat “anzugreifen” ist widersinnig, weil alle gemeinsam “Staat sind”. Liberale: Fokussieren auf die Mitmenschen, die Entmündigung und Freiheitsverlust rechtswirksam veranlassen. Das sind unsere Politiker (künftiger Link Politikerberuf), die in der repräsentativen Demokratie unverzichtbar sind. Menschen entmündigen sich untereinander (5). Daher Befreiung des Menschen vom Menschen. Liberales Sicherheitsnetz dazu: Auch Politiker sind Träger von Menschenwürde. Gewissensfreiheit (Art. 38 GG), körperliche Unversehrtheit, usw. für jeden. Politiker sind an Verhaltensregeln gebunden, die ihr Handeln legitimieren, die sie aber nur selber ändern können. Forderung daher: Menschen (weiß) sollen Menschen (schwarz) befreien.
Beispiel Sozialpolitik Als soziale Gießkanne? Alle erhalten das Gleiche nach dem Objektprinzip: Etwa “Bürgerversicherung”, Kindergeld, gratis oder subventionierter ÖPNV. Auch unentgeltliche Ausbildung. Liberale Lösung ist “Bürgergeld”. Das ist Sozialpolitik nach dem Subjektprinzip. Anträge auf Unterstützung aus dem Steueraufkommen sind keine Körperverletzung (“weiß”), denn: Schutz der Schwächsten ist Selbstschutz der Gesellschaft (“schwarz”).
Beispiel paritätische Finanzierung der Sozialpolitik Da in der arbeitsteiligen Gesellschaft etwa der Soldat in Afghanistan oder das MdB “keine Zeit” haben, sich um “Schwächere” zu kümmern, wird seine “soziale Verantwortung” verstaatlicht und Pflicht zu Hilfe durch Steuerpflicht abgelöst. Bei der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung denkt der Arbeitnehmer: “Der Arbeitgeber beteiligt sich” und der Kapitaleigner denkt: “Mir ist egal, an wen ich zahle”. Liberale: Nur wer Bruttolohn plus Lohnnebenkosten erwirtschaftet, “hat” einen Arbeitsvertrag (“weiß”). Richtig ist sodann: Die Arbeitnehmer bilden untereinander eine Risiko- Gemeinschaft, in der die Beiträge proportional zum Bruttolohn steigen (“schwarz”). Warum aber soll der Mittelverdiener vom Hochverdiener finanziert werden? Unter dem Vorwand “paritätische Finanzierung” gehen diese Gesichtspunkte als konzeptionelle Pampe in der realen Wahrnehmung unter und führen zu ungünstiger kollektiver Verantwortungslosigkeit. -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- |
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