Gewerkschaft |
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27.08.17 / ... / 02.02.03 Hat die Katze das Schellenband bekommen?
Kurzfassung
Gewerkschaften und Arbeitgeber bestimmen das Verhältnis von Konsum und Investition, beide strategische Größen der ökonomischen Entwicklung. Weitgehend unstrittig ist , dass Gewerkschaft und SPD eine strategische Einheit bilden, die ihre wesentlichen Ziele abgestimmt und gemeinsam verfolgen; die Analyse ergibt, dass die Gewerkschaft durch Milieudruck die SPD beherrscht auch wenn die SPD, als ihr verlängerter Arm, formal das Entscheidungszentrum der Gewerkschaftspolitik ist. Dies ist an sich kein Vorwurf; das Abendland steht nicht vor dem Untergang; und schließlich hat es zwischen der CDU/CSU und den Christlichen Kirchen viele Jahre eine ähnlich starke Verflechtung gegeben. Das Verhältnis von Gewerkschaft und SPD sollte (muss?) ebenfalls gelockert werden. Es haben die Tarifparteien und speziell die Gewerkschaften Monopolpositionen, die überwunden werden müssen. Ohne Wenn und Aber. Und diese Reform ist dringend, denn Die herkömmliche, pharisäerhafte, mit Unschuldsmiene vorgetragene Argumentation der Gewerkschaften ist in weiten Teilen überholt. Schnörkellos ausgedrückt: Es geht darum, die Kosten und die Risiken der Tarifkonflikte für die Gewerkschaften Schritt für Schritt zu erhöhen, weil diese ihre Monopolstellung in den letzten 10 Jahren – insbesondere im Kontext der politischen Lage – zwar weniger rabiat, aber ohne große Bedenken im Dienste von Bequemlichkeit und zum Schaden des Ganzen missbraucht (2.500.000 Arbeitslose) haben; dazu gibt es zahllose Optionen aber auch zwei unerbittliche Voraussetzungen: Es muss vorangehen und nachhaltig muss die Wirkung auch sein. Noch besteht die Chance eines graduellen Vorgehens, so dass schließlich ein besser und sorgfältiger austariertes Gleichgewicht zwischen Kapital- und Arbeitnehmerinteressen entsteht. Hinweis: Der folgende Text ist in seinen Kernaussagen krude formuliert. Dies dient der Klarheit und keiner Absicht demokratische Substanz zu opfern, sondern gemeinsam mit den Gewerkschaften, auch anderen, den Bestand der Demokratie zu sichern.
(1) Abriss der geschichtlichen Entwicklung In einem hatte Karl Marx Recht: Der letzte Pfennig kommt auf das Konto Lohn oder auf das Konto Gewinn ... Mit zu den wichtigsten Motiven der Gründung von Gewerkschaften im 19. Jahrhundert gehörte daher das Begehren Vieler, der Großindustrie im Streit über Lohn und Arbeitsbedingungen Stirn bieten zu können. Weiteres steht in den Geschichtsbüchern. Inzwischen sind Adelstand, Großbürgertum, private Großindustrie und gepäppelte Offiziere, die Herrschaft absicherten, längst verschwunden. Außerdem sind die Experimente von Sozialismus und Planwirtschaft gescheitert; Millionen Opfer waren vergebliche Opfer. Aber über Lohn und Arbeitsbedingungen verhandeln noch heute die Gewerkschaft mit den Arbeitgebern. Die Verfahrensweisen sind ohne Zweifel geordneter als früher. Resultat: Streikbedingte Wohlstandsverluste sind heute geringer; allerdings ist das in der Wirtschaft investierte Eigenkapital zusammengeschmolzen, ja dezimiert; es droht weiterer Zufluss von Eigenkapital auszubleiben; in der Folge werden Produktivität und Wohlstand zurückgehen. Die Gewerkschaft ist, wie viele andere, eine gesellschaftliche Bildung die sich, heute mit großer Machtfülle, so gesehen also bewährt hat. Wie ist die Wirkung der Gewerkschaft, insbesondere perspektivisch, einzuschätzen?
(2) Das wirtschaftliche Verhältnis von Arbeitnehmern u. Gewerkschaft Die Gewerkschaft bietet/leistet: die Geborgenheit eines Vereines (menschliche Wärme, soziale Identität, Selbstbewusstsein, Rechtsschutz, Fortbildung) und wesentliche Inhalte der Arbeitsverträge (u.a. maximale Lohnhöhe) für Millionen. Es kostet eine Menge Geld diese Leistungen zu erbringen. Zur Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Gewerkschaft: 6 Millionen Menschen haben, Stand 2017, entschieden, dass die Leistungen der Gewerkschaft den Preis von 1% ihres Bruttolohnes rechtfertigen - eine (fast?) normale Lieferanten-/Kundenbeziehung. Ob Gewerkschaftsmitglieder und Gewerkschaftsfunktionäre sich über diesen wirtschaftlichen Aspekt ihrer Beziehung bewusst sind, sei dahingestellt. So wie Einzelne die Leistungen von Finanzberatern, Architekten, Ärzten, Rechtsanwälten, Wahrsagern, Friseuren oder Dozenten kaufen, weil sie aus den unterschiedlichsten Gründen zur Erbringung dieser Leistungen selber nicht in der Lage sind, so beziehen Millionen die Leistungen der Gewerkschaft, weil jeder Einzelne sich schwer tut, mit den Vertretern wichtiger Leute aus Zivilgesellschaft und Staat Lohn und Arbeitsbedingungen erfolgreich auszuhandeln. Hätte die Gewerkschaft beispielsweise nur 500.000 Mitglieder, ließe sich ihr derzeitiges Leistungsniveau nicht aufrecht halten. Die Leistungen/Produkte der Gewerkschaft sind: Liefern optimaler Vertragsbedingungen und maximaler Löhne für die (alle) Arbeitnehmer. In der Essenz formuliert, erhält die Gewerkschaft für ihre Leistungen 1% Beteiligung vom Umsatz ihrer Kunden. Da zwischen Mitgliedern (Kunden) und Gewerkschaft (Lieferant) diese 1%-Provision vom Bruttolohn vereinbart ist, partizipiert die Gewerkschaft selbstverständlich auch an den Brutto-Lohnsteigerungen ihrer Kunden. Aus der Sicht der Arbeitnehmer eine äußerst sinnvolle Regelung, weil dadurch das Interesse der Funktionäre mit dem Interesse der Arbeitnehmer besser im Einklang gebracht steht, also beispielsweise vermieden wird, dass die Funktionäre von anderen, etwa ihren Verhandlungspartnern vereinnahmt werden. Die Gewerkschaften verhalten sich am Markt für Vertragsdienstleistungen so wie Tausende Unternehmen sich auf ihren jeweiligen Märkten verhalten:
Der Absatz der Gewerkschaftsprodukte wird – im Interesse der Beteiligten - ohne Zweifel genau dadurch verbessert. Den Marktanteil können die Gewerkschaften nicht weiter steigern: Sie sind Monopolisten für Vertragsdienstleistungen - wie vor ihnen viele Unternehmen. Die Gewerkschaften sind also Unternehmen, die sich auf ihrem Markt bewährt haben. Gewerkschaftsangebote sind das Resultat von Arbeitnehmernachfrage: Beim Preis von 1% des Bruttolohnes, Absatz von 6 Millionen Stück Mitgliedschaften. Respekt bzw. Hut ab, solchen Umsatz auf diffusem und volatilem Markt „hinzukriegen“ ist nicht jedermanns Sache. Ausgeprägte Tüchtigkeit kann der Gewerkschaft nicht abgesprochen werden. Jede andere Reaktion kennzeichnet Nichtliberale. Ebenso fällt auf Kritiker zurück, den Gewerkschaften völlige Unbeweglichkeit, gar ausschließlich konservatives Betondenken vorzuwerfen. So etwa befasst sich die Gewerkschaft mit dem Konzept des Arbeitnehmer-Unternehmers. Es wird kritisiert, dies geschehe zu zaghaft, also nicht modern, eher konservativ. Ehrlich geschrieben, ist dies jedoch vergleichbar mit dem Vorwurf an Unternehmen der Industrie, etwa Umweltschutz nicht ausreichend zu beachten. Zuzugeben: In beiden Fällen hat die Kritik eine ethische und eine moralische Dimension. Darüber kann nur gestritten werden. Gewerkschaft also gibt es; vermutlich noch sehr lange. Basta. Aber ... halt, immer man sachte .
(3) Gewerkschaft im Macht- und Herrschaftsgefüge Deutschlands Zunächst: Die Mehrheit will keinen Sozialismus, keine Planwirtschaft, keine Staatswirtschaft; sondern Marktwirtschaft (selbstverständlich anderes mehr). Historische Erfahrung und das Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unschärfe sind starke Empfehlungen für diese Entscheidungen. Es wurde längst in Erinnerung gerufen, dass 75% der Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion auch Mitglieder der Gewerkschaft sind - übrigens schon seit vielen Jahren. Es stellt sich die Frage: Wer beherrscht wen? Hat die Partei das Primat? Beherrschen 440.000 SPD-Mitglieder 6.000.000 Gewerkschaftsmitglieder? Die profiliertesten SPD-Politiker, ebenfalls zu 75% Mitglied einer Gewerkschaft wurden durch ihre Rolle in der SPD, also als Parteimitglieder bekannt. Dennoch „herrschen“ 6.000.000. Nicht so sehr durch Abstimmungen, Beschlüsse oder nicht transparente Diktate. Knapp ausgeführt: Die Gewerkschaft herrscht milieubedingt, durchaus also durch Milieu-Druck. Aus liberaler Sicht: Ja, und? Einwände gegen die freie Entscheidung freier Menschen? Eben. Warum sollen jene, die bereit sind, für das Abonnement zur Lieferung vertragsrechtlicher Leistungen 1% vom Bruttolohn zu zahlen, sich nicht als Partei organisieren dürfen oder eine bestehende Partei durchdringen, übernehmen dürfen? Resultat jedoch: Die SPD ist materiell die politische Abteilung der Gewerkschaft (DGB). Angesichts der verfassungsrechtlich definierten Funktion und Aufgabe von politischen Parteien ist allerdings zu kritisieren, dass die „Unterwanderer“ ihre Absichten verschleiern, bzw. die Absichten ihres Handelns nicht offen zugeben. Wenn das Unternehmen, geannt Gewerkschaft durch die beschriebenen Umstände in die Lage kommt, die Stärkung ihrer eigenen Monopolposition selbst besorgen zu können, ist und wird die dem entsprechende Machtposition ein Problem. Nicht weil den Kunden der Gewerkschaften „Mehr-Lohn“ nicht gegönnt wäre. Aber die Machtfülle der Koalition von Gewerkschafts-Kunden und dem Unternehmen Gewerkschaft droht das Gesamtsystem, in dem es „auch noch“ andere als Gewerkschafter gibt, zum Schaden aller aus dem Gleichgewicht zu werfen. Gravierend in diesem Zusammenhang, die sozialistische Ausrichtung der parteipolitischen Formation, weil hierin der Rettungsanker für den Fall des Kollabierens der Marktwirtschaft gesehen wird und einer gewissen Neigung zur Verantwortungslosigkeit unnötigerweise dadurch Vorschub geleistet wird; zum Verdacht, den Kollaps sanft oder akut zu wollen, gibt etwa die SPD zu allem Überfluss immer wieder Nahrung, was rationalen Diskurs – bei Ausfransungen auf der Rechten – sehr erschwert. Frei nach dem früheren „Kanzla-Macher“: So geht das nicht ... weiter.
(4) Die wirtschaftlichen Konsequenzen Jede arbeitsteilige Gesellschaft benötigt Eigenkapital (nicht konsumiertes Resultat von Arbeit); in diesem Sinn ist schon das rudimentäre Gerät zur Bearbeitung des Ackers Eigenkapital. Im Fall des streikbedrohten Tarifkonfliktes ist heute jeder Eigentümer von Eigenkapital erpressbar, weil Streik (gewollte, legale Vertragsstörung) Stillstand der Unternehmen zur Folge hat und folglich das Eigenkapital teilweise oder völlig vernichten kann; jedes ggf. vieler bestreikter Unternehmen kann davon betroffen sein. Nur ist stets unbekannt welches; aber alle gehören zum Kreis der potenziell Geschädigten. Der heute geringe Umfang streikbedingter Wohlstandsverluste ist also sehr teuer erkauft . Die Gewerkschaftsseite hingegen fühlt sich und agiert stärker, weil im Falle des Versagens der marktwirtschaftlichen Ordnung noch 2017ff die sozialistische Perspektive als Ausweg erscheint. Das selbstverständlich erneut mögliche Versagen des Sozialismus wird hierbei unter Hinweis auf künftig andere Bedingungen stillschweigend verdrängt. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass bei Zulässigkeit des streikbedrohten und monopolbasierten Tarifkonfliktes permanent hoher Eigenkapital-Verzehr stattfindet (Kosten der Abwehr). Unter den an eine Fläche (Flächentarif) gebundenen Unternehmen gibt es äußerst unterschiedliche Lagen: Einige Können mehr Lohn zahlen, andere nicht; einige wollen mehr Lohn zahlen, andere nicht. Während die Interessen der Unternehmen auseinanderlaufen, bildet die Arbeitnehmerseite einen monolithischen Block: Das Maximum soll herausgeholt werden. Schon oft ist über die Problematik der Massengerechtigkeit nachgedacht worden; machbar ist das dennoch nicht. Aber: Erst Massenregelung entgrenzt Macht, weil Zentralisation damit einhergeht. Die aber wirkt besonders bei Beachtung der sozialwissenschaftlichen Unschärfe (selbst)zerstörerisch; im übrigen hat keine Gesellschaft ein Interesse daran, das vorhandene Eigenkapital (Beispiel: Hacke für den Acker) zu zerstören. Nicht einmal das Argument des Unterbietungswettbewerbs zieht. Warum sollte Wettbewerb generell aber nicht unter Arbeitnehmern herrschen? Es ist oft behauptet worden, die Gewerkschaften hätten stets sehr verantwortlich gehandelt. Tatsächlich sind viele Tarifabschlüsse auf „Kosten anderer“ gegangen. 2.500.000 Arbeitslose sind nicht das Resultat „verantwortlicher Tarifpolitik“. Die Argumentation der Gewerkschaft ist unredlich und völlig überholt. Die Gewerkschaft hat über die SPD, wann immer sie konnte, ihre Machtposition weiter gestärkt und ausgebaut. Erinnert sei beispielsweise an die Auseinandersetzungen um die Finanzierung der mittelbar von Streik Betroffenen durch die BA – alle politischen Waffen bis hin zur Sozialhetze wurden im Wechselspiel mit der SPD eingesetzt. Mäßigung war und ist nicht zu erkennen.
(5) Maßnahmen und Lösungen Also: Sozialisten mit 46 % Anteil am seriösen politischen Markt, Tarifmonopol, entgrenzte Macht und mitverantwortlich dafür, dass 2,5 Mio Personen ganz und 3,5 Mio Unterbeschäftigte jeweils zum Teil von Beschäftigung ausgeschlossen sind. Die Mehrheit sollte sich das nicht gefallen lassen. Nun wäre es nicht angemessen das sogenannte Streikrecht abzuschaffen; auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass Streik als Eingriff (Störung) in die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und Eigenkapital-Eigner interpretiert wird. Das ist nur vordergründig eine Frage mangelnder politischer Opportunität. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist, dass der Eigenkapital -Eigner ebenfalls berechtigt sein muss, seinen Beitrag zum Vertrag, nämlich das Kapital zu entziehen, was letztlich ebenfalls eine Vertragsstörung darstellt. Gewalt und Gegengewalt. Balance of power. Nachvollziehbar, aber nicht mehr als unbefriedigende Notlösung. Aus allen diesen Überlegungen heraus ist das gewerkschaftliche Monopol für Flächentarifabschlüsse zu zerschlagen. Das gilt für die Lohnformel und nicht minder für die Befugnis zur Rechtsetzung per Manteltarifvertrag. Letzteres muss dem Gesetzgeber übertragen werden, weil die derzeit praktizierte Verfahrensweise in keiner Phase, also von Entwurf, über Gegenentwurf und Debatte transparent ist. Es kann nicht zugelassen werden, dass die Rechtsbeziehungen für Millionen hinter verschlossenen Türen pokerlike und maffiagefährdet bestimmt werden. Was genau wird denn “dort” alles verhandelt und verabredet? Also, die Katze verdient ihr Schellenband. Und wenn es noch immer nicht reicht, zunehmenden Bleiballast an allen Pfoten - solange bis der Komment sitzt. Es geht keinesfalls darum, die Gewerkschaften abzuschaffen; und es geht auch nicht darum, die Tarifautonomie der privaten Hand (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) einzuschränken. Das voranstehende gilt auch, wenn man als Prämisse unterstellte, dass die Gewerkschaft aufgrund ihres Programmes und ihrer immerhin 6.000.000 Mitglieder das “Volk selbst” ist. Es kann nämlich nicht sinnvoll sein zuzuschauen, während sich das “Volk selbst”, monopolbetrunken, zerstörte. Hart aber wahr. Nicht gegen die Gewerkschaft, sondern mit ihnen - im Rahmen der Institutionen der nun einmal etablierten Gesellschaftsordnung, die mehr ist als die Wirtschaftsordnung.
Was in anderen Ländern durch Gefühl oder common sense längst geregelt ist, muss im Land der Dichter und Denker noch durch minutiöse Analyse fundiert werden. |
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