29.03.20 / 15.01.18 / 05.03.17
Die Komplexität des alltäglich Trivialen
Führung ist hilfreich, praktisch. Führbarkeit (ähnlich dem Begriff
“Regierbarkeit”) setzt ein Mindestmaß an allgemeinem Willen, das interpersönlich-konsensuale Kondensat aus der Summe von Einzelinteressen voraus. In Personen konkretisierte Führung muss Einiges vorweisen, damit die Einzelnen
bereit sind, sich dem Allgemeinen Willen, den Führung vertreten muss, aus freiem Willen anzuschließen, damit zu unterwerfen. Soll Führung gelingen, muss der Führende Kompetenz ausstrahlen u. als Vorbild wahrgenommen werden. Ausgesprochen
schädlich wirken Wichtigtuerei, Protzerei, Arroganz oder Egoismus.
Aus Sicht der Liberalen, die auf Selbstbestimmung, Verantwortung des Individuums
für sich selbst und andere setzten, ist die Forderung nach “politischer Führung” heikel, daher zu definieren und vor allem abzugrenzen.
Positive Abgrenzung von politischer Führung:
- wird von Personen, nicht “vom Staat” ausgeübt.
- Fachliche und persönliche Kompetenz Führender sind unverzichtbar
- Führung durch Politiker ist zweckmäßig, wenn Fachwissen, verbreitet den
Bürgern nicht zugänglich, sich spezifisch aus Amtsführung und allgemein aus dem unüberbrückbarem informationellen Abstand zu den Geführten ergibt.
- Es sind ausnahmslos Personen, die Wertepolitik entwickeln
- Politische Führung hat das Gemeinwohl, nie Partikular-Interessen im Blick.
- Der politisch Führende pflegt seine Mannschaft, nicht seine Untertanen
- Der politisch Führende ist kein Hasardeur, er kennt “seine” Risiken
Negative Abgrenzung von politischer Führung:
- geriert sich nicht als Obrigkeit
- belehrt nicht, will nicht umerziehen, allenfalls zu bestimmtem Verhalten
anregen, also überzeugen, statt etwa durchsetzen.
- besteht nicht darin, Zustimmung durch Einsatz angenehmer Aussagen zu gewinnen.
- hat keine Aufgabe in der privaten Sphäre des Individuums
In allen formellen, informellen, dauerhaften, vorübergehenden, unterschiedlich
intensiv gebundenen gesellschaftlichen Gruppierungen, etwa den Zusammentreffen aus Anlass von Veranstaltungen, Besichtigungen, Reisezielen, Familien, Vereinen, Unternehmen, Parteien, Staat, religiös oder materiell motivierten
Vereinigungen, Bürgerinitiativen gibt es Führende und Geführte.
Zu sehen ist, dass Führung im Rahmen des Staatskomplexes (1) anders “funktioniert” als Führung in der gewerblichen Wirtschaft (2):
- Banal ausgedrückt: Der Eigentümer eines Sparbuches will sein Geld investieren.
Er allein entscheidet, wer Vorstand/Geschäftsführer des Unternehmens wird. Ist der Profit zu gering, ist die Tätigkeit des Managers Knall auf Fall beendet. Im Staatskomplex herrschen “demokratische Verhältnisse”; die
Führung wird im langwierigen Prozess idealtypisch von unten nach oben gewählt. Von den üblichen Ausnahmen, Grauzonen abgesehen, ist die Position des Führenden in der Wirtschaft stärker als die Position des Führenden im Staatskomplex
- Es gibt beachtenswerte Analogien: Der Führende ist stets einsam. Überträgt der
Führende seine Inspiration, gelingt Führung besser. Bei krassem Versagen, d.h., der Zielverfehlung, fällt der Führende ins Bodenlose.
- Der Führende in der Wirtschaft ist Eigentümer bzw. Repräsentant des
Eigentümers. Das Verhältnis des Führenden im Staatskomplex zu den materiellen Gütern ist ausgesprochen heikel. In der Wirtschaft wird mit dem Eigentum (der Wirtschaftsgüter) sorgfältiger umgegangen. Zwar darf sich der Führende im
Staatskomplex nicht am Eigentum vergreifen, aber generell wird mit dem Eigentum des (gesamten) Volkes um Vieles schlampiger umgegangen.
- Der Führende in der Wirtschaft hat wenig Spielraum bezüglich der Gestaltung
des Regelwerkes, das den Spielraum seiner Tätigkeit begrenzt. Der Führende im Staatskomplex ist zur Wahrnehmung des Primats und des Gewaltmonopols umfassend legitimiert. Der Führende (plus Mannschaft) bestimmt das ihn bindende
Regelwerk selbst.
- Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Führende in der Wirtschaft
bezüglich des Tagesgeschäftes mehr Autonomie und deswegen mehr Stärke hat. Der Führende im Staatskomplex ist stärker bezüglich Umfang der Bindungswirkung und Langfristwirkung seiner Tätigkeit.
Von Übertreibungen, Ausreißern, gelegentlicher Fehlfunktion abgesehen sind die
gemäß “5.” beschriebenen Verhältnisse akzeptabel, gar in Ordnung. Es ergeben sich daraus Konsequenzen, die ärgerlicherweise zu oft missachtet werden:
- Unmoral ist verwerflich. Der Anspruch an Moral, nämlich von Meta-Regeln, ist im Fall Staatskomplex fühlbar höher
- Führung beinhaltet von der Sache her Selbstlosigkeit, gar Entbehrungen. Aber
aufgrund der mit Führung unvermeidbar verbundenen Macht wird Führungshandeln pervertiert. In der Zivilgesellschaft, also auch in der gewerblichen Wirtschaft ist persönlicher Wunsch nach Macht eher zulässig als im Rahmen des
Staatskomplexes.
- Die Antimonopol-Praxis muss strikt, unnachsichtig, sozusagen ohne Rücksicht
auf Personen und Sache sein. Leider hat Politik vielfach davor Angst oder verfällt in vordergründigen Populismus, lässt zu viele Monopole
gewähren
- Es ist richtig, dass die Wirtschaft keine allgemeingültigen Regeln zu setzen
befugt ist. Auch deswegen passen Güterproduktion und -distribution nicht in das Aufgabengefüge des Staatskomplexes. Werden
- privater Lobbyismus für bestimmte Regelungen und
- erwerbswirtschaftliche Versuchungen der Führenden im Staatskomplex in der
Praxis nicht strengstens eingehegt,
- nimmt andernfalls das gesellschaftliche Gesamtgefüge wider jeden Sirenengesang
den Schaden von Disfunktionalität. Herrschende meinen, viel zu oft Disfunktionlität durch obendrein sachfremdes Regeln ausbügeln zu können.
Wollten realiter Herrschende den Nachweis bringen wollen, ihr berufliches Wirken
sei von Ansätzen moralischer Wüste frei, kämen sie in gewisse Schwierigkeiten. Das Problem zumindest mangelhafter politischer Moral wird in den LN ausführlich behandelt.
Zeitgenössische Praxis politischer Führung
Es fehlt verbreitet bis in die unteren Parteihierarchien der Wille Führung
auszuüben; Ämter- Verwaltung, euphemistisch Moderation, gilt als genügend und akzeptabel.
Dem Durchschnittspublikum, ggf. nur bestimmten Zielgruppen angenehme Aussagen
ersetzen verbreitet heute die Führungskompetenz der Kraft zu überzeugen und der Kraft zu entsprechenden Taten
Seit 1945 haben Adenauer, Scheel, Schmidt, FJS, Genscher/Lambsdorff, Biedenkopf,
Kohl und Schröder (14.03.2003) geführt. Heute führt unter den Parteivorsitzenden niemand außer Lindner. Dies veranlasst Wettbewerber und affine Medien aus Neid zu den gesehenen persönlichen Angriffen, wie Alleindarsteller.
Weder CDU/CSU, SPD, SED noch die Sog.Grünen verfügen über Führung an der Spitze
ihrer Parteien. Politische Führung steht im Ruf des Anrüchigen. Das persönliche Verhalten potenzieller Führungskräfte ist verbreitet unangemessen der Funktionalität. Askese müßte verstärkt, barocke Opulenz der Formen und Kommunikation
müßten zurückgefahren werden.
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- (1) Bewährung durch Friedfertigkeit (2) Bewährung durch Profit
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