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14.02.17, 14:00 / ... / 10.07.01

Marktversagen?
                                                  Normenversagen!

Marktversagen ist ein politischer Kampfbegriff geworden. Es werden dem Phänomen des Marktes, gezielt ausgewählt, bestimmte Eigenschaften zugeordnet, um im nächsten logischen Schritt auszusagen, was nicht sein soll, nicht sein kann oder nicht sein darf, folglich Marktwirtschaft eine inakzeptabel problematische Veranstaltung sei. Die Denunziation von Marktversagen, eine Form von Gesellschaftskritik, liefert den Buhmann und damit die Legitimation für Maßnahmen der Sozialisierung und Vergesellschaftung, die, wie Sozialisten inzwischen genau wissen, wenn überhaupt, nur schrittweise, evolutiv, sozusagen in homöopathischer Dosierung erreicht werden kann. Sogar “unbändige“ Sozialisten werden mit dieser Strategie homöopathischer Dosierung an die Leine genommen; das Lager der an sozialistischer Zielsetzung Mitwirkenden wird organisatorisch gestärkt.

Das Wort Marktversagen hat darüber hinaus wegen der psycho-linguistischen Wirkung aus liberaler Sicht ungünstige politische Prägungen zur Folge.

Markt, ein Phänomen, nach Gabler, Wirtschaftslexikon, 14. Aufl., 1997:

Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage wodurch Preise gebildet werden.

Zunächst:

  • Markt ist und kann nicht das Ziel liberaler Politik sein. Liberale setzen Normen, zwecks Standardisierung relevanter Prozesse/Vorgänge und zwecks Kompensation extremer Ungleichheit zwischen Menschen, um Ausbeutung etwa durch Monopolisierung zu vermeiden. Das Resultat der Normierung ist der Gesellschaftsvertrag. In diesem Rahmen entfalten sich Märkte auf denen Wettbewerb herrscht.
  • Markt ist kein Instrument. Sozialisten betrachten, verhaltensökonomisch geleitet, Markt dennoch als Instrument, weil ein „Instrument“ Gegenstand „politischen Gestaltung“ sein kann, sein darf oder etwa aufgrund wissenschaftlich induzierten Handlungsdruckes gar “sein muss”.

(Ein) Markt findet unter beschreibbaren Bedingungen („einfach“) statt. Zu diesen Bedingungen gehören insbesondere Personen, die Güter produzieren und Personen, die in Güteraustausch treten wollen. Gibt es diese Personen nicht, findet Markt nicht statt. Es kann also nur das (beeinflussbare, veränderbare) Verhalten von Individuen sein, das ggf. unerwünschte Resultate produziert. Das Verhalten der Individuen ist von einem Normen- Kosmos bestimmt, sinnvollerweise durchaus eingegrenzt. „Gibt“ es an einem Markt also unerwünschte Resultate, ist dies auf Normenversagen zurückzuführen. „Ein Markt produziert unerwünschte Resultate” ist sprachlogisch so falsch wie die Aussage „ein PKW lacht“.

Wenn statt dessen daher Normenversagen adressiert wird, liegt der Ball im Feld derjenigen, die gestalten, regeln, gerecht oder sozial sein wollen und sich damit unvermeidlich im Dschungel der Bevormundung von Menschen durch Menschen verlieren. Es kann eben nicht Markt, sondern nur das Verhalten von Individuen geregelt oder normiert werden. Der für die Fortschreibung des Gesellschaftsvertrages zuständige Politiker ist also mit dem (aus seiner Sicht) zu regelnden, dem normierten Bürger befasst. Und ob sich der Bürger die Regelung gefallen lassen möchte, bzw. sich wie “vorgesehen” verhält, ist die stets spannende Frage. Ganz anders jedoch ist es, wenn der Politiker Märkte, gar versagende (wie empörend), regeln und gestalten will. Eine derartige Absicht wirkt, sprachlogisch optimal verstärkt, unverfänglich und kann sogar als Wohltat verkauft werden.

Marktversagen.

Definition nach Gabler, a.a.O.: „Abweichen des Ergebnisses marktmäßiger Koordination von einem optimalen, mit Hilfe eines Referenzmodelles abgeleiteten Ergebnisses. Die optimale Allokation von Gütern und Ressourcen ist nicht gewährleistet.“ Als Ursachen für Marktversagen werden in dem Wirtschaftslexikon unter dem Stichwort Marktversagen genannt: Substitutionshemnisse, mangelnde Marktfähigkeit von Gütern, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen und Staatsversagen. Problematisch sei die Wahl des Referenzmodelles und gefordert wird eine rationale Wirtschaftspolitik.

Kritik dazu: Optimale Allokation ist ein theoretisches und nutzloses Konstrukt. Warum soll optimal sein, wenn sich ein Gleichgewicht zwischen Grenzkosten und Grenznutzen einstellt? Wieso ist “suboptimal”, wenn der Grenznutzen steigt, die Preise davonlaufen? Wieso ist ein Substitutionshemmnis unerwünscht? Wenn die Bedingungen nicht stimmen, ist doch völlig klar, dass sich etwa wegen mangelnder Marktfähigkeit, so genannte Marktgängigkeit (erwartetes Preis/Leistungsverhältnis) eines Produktes (materiell, immateriell) kein Marktpreis bilden kann und deswegen der Austausch zwischen Anbieter und Nachfrager nicht stattfindet.

Aber es gibt häufig „unerlaubte” Verhaltensweisen. Meistens, weil die Erwartung nicht oder wenig sanktioniert zu werden groß genug ist. Dies ist der klassische Fall von Normenversagen oder gar Justizversagen. Idiotische Normen versagen natürlich immer. Unzweckmäßig konfigurierte Institutionen (Normen-Hardware) versagen ebenfalls: Es wäre die Stunde der Parlamente, nämlich Beschlüsse herbeizuführen, um nicht erwünschte Zustände von Normen- oder Institutionenversagen zu beseitigen; kann sich ein Parlament nicht einigen oder schließen Abgeordnete („politische Geschäftsführer“) schlechte Kompromisse, bleibt Normen-, Institutionen- oder Justizversagen erhalten.

Exkurs zur Optimalität von Allokation und zu Referenzmodellen.

Es handelt sich um ein idealtypisches Konstrukt ohne praktische Relevanz, weil Realität anders ist, daraus also nichts folgt. Darüber hinaus scheitert jeder Ver- such, nachhaltig reale gesellschaftliche Strukturen und Verhaltensweisen in Erklärungsmodellen abzubilden, denn der dazu ablaufende gesellschaftliche Prozess wird aus der Gesellschaft selbst heraus entwickelt und somit verändern schon Erkenntnisse hierzu die Gesellschaft in einer Weise, die das ursprünglich erwartete Prozessergebnis mit-verändern. Anders ausgedrückt: Eine Theorie über das Verhalten eines Kollektivs von Individuen, verändert durch Kenntnisnahme oder Lernen „der Theorie“ das Bewusstsein der Mitglieder des Kollektivs. In Kenntnis des Verhaltens der jeweils Anderen verändert sich individuelles Verhalten, um die Wirkung des theoriebeschriebenen Verhaltens der Anderen zu konterkarieren. Theorie zerstört ihre Prämissen. Entgegen noch immer weit verbreiteter sozialistischer Planungsgläubigkeit ist dem zu Folge öffentlich gemachte, entscheidungsrelevante Prognose gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung prinzipiell ungenau und ziemlich unsicher. Bereits die schottischen Sozialphilosophen und F.A. Hajek (Konstruktivismus) belegen, dass zwischen „natürlichen” und „künstlichen” Phänomen in der Sozialwissenschaft nicht unterschieden werden darf, was darauf hinausläuft, dass soziale Ordnungen zwar das Resultat menschlicher Handlungen, (überwiegend!) aber nicht das Resultat menschlichen Entwurfes seien. Auch Poppers Kritischer Rationalismus ist diesem Denken eng verwandt.

Güter (8.11.2002)

Ein Gut ist, etwa nach Gabler, Wirtschaftslexikon, a.a.O., ein Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Dieser umfassenden Definition zufolge werden beispielsweise Kultur, Ausbildung, Gesundheit oder Sicherheit als Güter bezeichnet. Sowohl die Natur der verschiedenen “Güter” (Sicherheit) wie auch das konkrete gesellschaftliche Normengefüge (Ausbildung) bedingen fallweise, dass Postulate oder Regeln der Wirtschaftstheorie auf solche Güter nicht anwendbar sind. Dies wird etwa herkömmlich, gar fälschlicherweise durch Feststellungen wie suboptimale Allokation oder eben Marktversagen beschrieben. Grundschulbildung beispielsweise wird nicht nachgefragt, weil der Preis durch Steuern bereits zwangsweise entrichtet ist: Die Markt für Grundschulbildung ist “wegnormiert”; außen vor gelassen. Äußere Sicherheit kann als (ökonomisches) Gut nicht bezeichnet werden, weil Sicherheit von den zuständigen Organen des Staates allen Mitgliedern der Gesellschaft - vernünftigerweise - oktroyiert wird. Äußere Sicherheit wird “am Markt” überhaupt nicht angeboten, weil diejenigen, die dazu gemäß Gesellschaftsvertrag in der Lage wären, dies nicht tun (dürfen).

Es steht dem Souverän (Staat im weiteren Sinn) zwar frei, nach Gutdünken die Verteilung einzelner “Güter” (etwa Sicherheit, Bildung, PKW, Brötchen oder Medikamente) dem Staat (im engeren Sinn) zu übertragen, aber auf Basis der ökonomischen Theorie (etwa so genanntem Marktversagen) lässt sich die Notwendigkeit staatlicher Verteilung nicht wissenschaftlich begründen.

Marktversagen am Kapital- und Geldmarkt? (10.11.2002)

Unter dem Titel Systemimanentes Marktversagen im kapitalistischen Geldsystem überlegt Maximilian Polling: Der Zins am Kapitalmarkt kann nicht auf Null sinken, bestimmte Signale des Marktes hätten also keine Wirkung und Knappheit wäre entgegen der Erfordernisse nicht beseitigt. Diese Überlegungen sind fehlerhaft, weil der lineare Verlauf der Nachfrage- und Angebotsfunktion keine begründbare Gesetzmäßigkeit ist. Im Falle materieller Güter kann nicht erwartet werden, dass die Anbieter in jedem Fall Preise unterhalb der  “Bereitstellungskosten” (Logistik, Präsentation) akzeptieren; im Falle von Kapital wird der Anbieter sich die Risikoerwartung auf jeden Fall honorieren lassen. Im übrigen geht die Nachfrage - von Einstellungen wie “billig = schlechte Qualität” - nach unendlich, wenn Beschaffungskosten und Preis nach Null gehen. Möglicherweise führen Auffassungen wie “der Markt ist nicht gerecht” oder “eine Marktwirtschaft entlohnt nicht Leistung, sondern Knappheit” zu den erwähnten Fehlschlüssen. Warum sollte der Nachfrager einen “ungerechten” Preis akzeptieren oder die “Leistung” des Anbieters honorieren? Nicht theoretische Konstrukte bestimmen das Geschehen auf Märkten. Einzig das Interesse der Teilnehmer, die sich im übrigen einigen müssen, wenn eine Transaktion erwünscht und stattfinden soll, ist maßgeblich. Warum sollten Dritte intervenieren? Um Gerechtigkeit herzustellen? Ist es gerecht, den Eigentümer liquider Mittel zu veranlassen, das Verlustrisiko des vergebenen Kredit zu ignorieren?

Schlussfolgerung

Es gibt kein Marktversagen; es gibt sehr wohl Normen- und Institutionenversagen; für die entsprechende Reparatur sind Politiker („politische Geschäftsführer“) verantwortlich. Verständlich also, dass Politiker in Anlehnung an die Wirtschaftslehre der Neigung verfallen (a) „ihr” „Unvermögen“ als „Marktversagen“ zu nirwanisieren bzw. (b) durch Denunziation von so genanntem Marktversagen das Sozialismus-Projekt voranzubringen. Sowohl (a) und
(b) sind interessante Beispiele für Verhaltensökonomie.

Wenn argumentiert wird, die Trennung von Markt und Person sei nicht praxisrelevant, weil Markt ein abstraktes Konstrukt sei (letzteres stimmt), so kann man das nicht gelten lassen, weil Normgebung, die erfolgreich etwa “Marktversagen” vermeiden soll, (nachhaltige) Kenntnis von Gesellschaftstheorie voraussetzte. Angesichts der sozialwissenschaftlichen Unschärfe, liefe jedoch jedwede den Gesellschaftsvertrag insofern ergänzende Regel ins Leere. Es gibt nur Regeln, die das Verhalten Einzelner bestimmen. Sonst nichts. Das Phänomen des preisbildenden Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage mit der Folge einer Transaktion (Markt) ist nicht zu verändern. Wird ein Markt verboten, ist auch dies eine Regel für das Verhalten von (potenziellen) Anbietern oder Nachfragern. Und die Aussage: “Markt X verboten, weil geeignete Regeln nicht gefunden werden können”, ist richtig und klingt zu Recht, eben ganz anders als „verboten wegen Marktversagens”. Der Ball gehört in das richtige Spielfeld. Nur um Regeln für das Verhalten der Einzelnen geht es.
 

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