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11.06.24 / 07.04.20

 

Von der Provinz auf die Weltbühne

Helmut Kohl war ein Kind der Zeit nach dem Weltkrieg, ein politisches Kind der zerfasenden SPD und politisches Kind der schließlich gewonnenen Kontroverse mit Franz Josef Strauß.

Kohl blieb immer Partei-Mensch, der Sockel seines Aufstiegs. Anders als Adenauer nutzte Kohl den Staatsapparat um die CDU/CSU zu führen. Schon als Politiker der Rheinland- Pfälzischen Provinz hatte Kohl diese Verfahrensweise geprobt. Kohl war viele Jahre die maßgebende Person in der CDU/CSU, aber der letztlich als Vermächtnis von Adenauer geerbte Monolith bestand nicht mehr. Provinz-Fürsten der Bundesrepublik (West) wie er, bestimmten, gelegentlich gemeinsam, die Geschichte der CDU/CSU.

Ein Chef-Anschiss von Adenauer war sicherlich unangenehm; im Fall von Kohl bisweilen aber vernichtend. Kohl übte die Ämter als Ministerpräsident, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag und Kanzler sicher pflichtgemäß aus. Aber Kohl verplemperte nicht wie andere die Zeit. Die nutzte er intensiv als „Vorsitzender seiner Partei im Kanzleramt“. Es kann kurze Zeit gewisser Entscheidungsschwäche das von der SPD verpasste Prädikat „Birne“ eine Rechtfertigung gehabt haben. Seine Amtszeit als Kanzler wird damit in keiner Weise gekennzeichnet. Das Gegenteil trifft zu. Denn Kohl war ein Praktiker politischer Macht, der mit Hilfe seiner Menschenkenntnis persönlich zupackte. Seine mit Honecker 1987 verabredete Privatreise in die DDR, 27.-29.05.1988 (im Film von 2024 dokumentiert), gekennzeichnet durch das erfolgreiche Abschütteln des DDR-Sicherheitsapparates samt Täuschung von Erich Honecker, wird als Husarenstück beschrieben.

Der Mensch war ein Bulle – aber zur gemeinsamen Besprechung auf dem Niveau der Sauna fähig, vielen haushoch überlegen. Auch Frau Thatcher bekam das mehrfach zu spüren. In USA sind solche Gestalten Sympathie-Träger, während das rationalistische Frankreich sich Einsichten fügt. Der Auftritt mit Mitterand auf den Schlachthöfen von Verdun bleibt ein starkes Symbol.

Kohl konnte es mit anderen Mächtigen. Sogar den wechselnden in Italien. Kennzeichnend war Kohls gute Beziehung zu Felipe Gonzalez, den jeweiligen Präsidenten der EU-Kommission und schließlich zu Gorbatschow und seinem Nachfolger. Vermutung: Mit Putin wäre er besser klargekommen als Andere. Bei aller Bulligkeit (sogar Eierwerfer waren zu Obacht angehalten), wusste Kohl um Zeitpunkt und Inhalt von Kompromissen so wie die Notwendigkeit der Verlässlichkeit.

Kanzler der deutschen Wiedervereinigung wurde Kohl durch den Zufall reifer Frucht. Der erfahrene und verschlagene HD Genscher (Helsinki 75!) hat entscheidend beigetragen, dass der Job gut gemacht wurde. Ohne den Fall der Mauer im November 1989, hätte Kohl die für 1991 geplante Wahl wohl verloren.

Die für die Entwicklung der EU prägende Zeit von 1991-1998 war eher ein schwierigeres Gewürge. Kohl wusste – außer einem legendären Black-Out - stets übr alles gut Bescheid. Die Nachfolger der 68ger vermochte er aber nicht (und nie) zu packen; das Schicksal der spanischen Armada im Ärmelkanal kommt in den Sinn. Die Wahlniederlage von 1998 gegen Schröder/ Fischer ist so gesehen nachvollziehbar.

„Das Problem“ hat auch Merkel nicht gelöst, es scheint sich (2020) allerdings tot zu laufen, denn Umweltschutz ist nicht der Verdienst von Sozialisten, sondern im Mantel von der Pflege der Biosphäre dem Primat der Physik geschuldet. Nachfolger der Vorgänger aus Jahrzehnten und Jahrhunderten sind alle, nicht nur jene, die seit Jahren alles und sofort besser wissen.

Liberaler wurde das Ambiente in Deutschland in seiner Zeit nicht.
 

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