Autonomie und Selbstbestimmung |
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29.03.17, 14:00 Selbstbestimmung des Einsiedlers? Gibt es nur einen Grund dafür, dass generell der Einzelne nicht selbstbestimmt sein soll? So wie der Mensch durch die Evolution (Natur; Biologie) ausgestattet ist, macht nur der selbstbestimmte Mensch Sinn. Es gibt realiter mächtigere und weniger mächtige, reichere und ärmere, schlecht und gut ausgebildete Menschen. Sollen deswegen all die Einzelnen unterschiedlich autonom sein? Die Vorstellung solcher Unterschiede produziert Absurdes. Auf Folgendes kommt es an:
Gewissenhaftigkeit vorausgesetzt, gibt es keinen Anlass zum negativen Generalverdacht. Richtig ist und bleibt, dass Einzelne bisweilen/oftmals weniger materielle Möglichkeiten zur Entfaltung von Selbstbestimmung haben als Andere. Frage ist zunächst, ob Reiche oder Mächtige wirklich so frei sind, wie der Augenschein einer schönen Frau, viel Schnaps, schnelle Autos oder Villen mit hohem Energiebedarf suggerieren. Frage ist ferner, ob im verlassenen Dorf von Nord-Argentinien, West-Chile, Süd-Deutschland, oder Ost-Spanien Mangel-Autonomie in jeweils gleicher Weise gefühlt wird. Es liegt auf der Hand, dass Wisser über die Wünsche anderer Menschen die Lösung nicht bringen; bereits Sokrates hat das Grundlegende dazu (angeblich) gesagt. Zu Ende gedacht will nämlich niemand Totalitarismus. Auch dann nicht, wenn solche Wisser schon heute wissen, wie sich die irdische KlimaK auf das Klima unserer Heimatgalaktie in 50 oder 50 Mio Jahren auswirken wird ... Zunächst also: Alle sind gleich. Allerdings würde Selbstbestimmung eingeschränkt, wenn geboten wäre, dass alle gleich viel zu leisten haben. Das Recht auf Minderleistung mag in der UdSSR verboten gewesen sein. Aber im Westen besteht dieses Recht. Wer 20 Jahre lang Soziologie studieren will, soll das tun. Aber die Konsequenzen dieses Wollens darf fairerweise nicht auf die Gesellschaft, die zusammenhalten will, übertragen werden. Autonomie, trotz unverzichtbarer Rechtsordnung (Gesellschaftsvertrag) Selbstbestimmung kann nicht die im Verhältnis zu einem sozialen Äther sein. Selbstbestimmung wird durch das Verhältnis zu den anderen Mitgliedern der betrachteten Gesellschaft konkret. In der heutigen vielfältigen, arbeitsteiligen, engeren Welt kann Selbstbestimmung also ausschließlich im Rahmen die Rechtsordnung (Gesellschaftsvertrag) entfaltet werden. Selbstbestimmung wird damit ein politisches Sujet ersten Ranges. Am entsprechenden Markt werden im Wettbewerb liberale, sozialistische, konservative und nationalistische Lösungen angeboten. Die Vorstellung, dass etwa die Würde oder die Freiheit des Menschen, d.h., der Mensch als solcher Gegenstand der Karriere-Interessen aktuell oder künftig Herrschender behandelt, ja, gehandelt wird fröstelt. Mit diesem Umstand müssen die Millionen, der Betroffenen in der Zivilgesellschaft leben, weil bessere Verhältnisse nicht einmal vorstellbar sind. Bezogen auf üblicherweise zelebrierte Werte wie Würde, Selbstbestimmung, Demokratie Im Ringen um Entscheidungen sind Kompromisse erforderlich, die das gesamte Gefüge umfassen: Beispielsweise Soziales, Gesundheit, Wirtschaft, Steuern, Infrastruktur sogar Bildung und der Einwanderungsdruck. Im Rahmen es teilweise hypertrophen rechtlichen Gefüges muss der Einzelne Mensch den Raum für seine persönliche Selbstbestimmung finden. Dass im Ringen in/mit diesem Dschungel deswegen Recht übertreten wird, sei lediglich erwähnt. Die schiere Quadratur des Kreises Das Vorhaben ein positives, verbreitet akzeptiertes Menschenbild im Ramen der Rechtsordnung einer arbeitsteiligen Gesellschaft zu gewinnen, hat Züge einer Utopie. Zwar enthält die Rechtsordnung eine Vielzahl von Bestimmungen, die das Meine-Deine- Freiheit etwa unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Schwächsten in ein reglementiertes Gleichgewicht bringen sollen, bzw. sollten. Diese Zielsetzung der Rechtsordnung (Gesellschaftsvertrag) erzeugt jedoch Irrtum. Wenn Menschenwürde durch die Rechtsordnung definiert wird, dann führt die Praxis der Menschenwürde zu ihrer perspektivisch aufhebenden Relativierung, damit letztendlich zur Negation der Menschenwürde. Es steht die Praxis also in Widerspruch zum inhärenten Überlebensinstinkt des Menschen; auch dann, wenn nur einzelne Aspekte von Menschenwürde tangiert sind; auch dann, wenn etwa, wie in der deutschen Verfassung vorgesehen, für Menschenwürde eine Ewigkeitsgarantie postuliert ist. Schon zur Frage nach dem “was” “ewig” Menschenwürde sein soll, gibt der Text der Verfassung zu recht keine Auskunft; der Inhalt von Menschenwürde bleibt im Verfassungstext offen und Einsichten, Erkenntnissen, gar “staatsschützenden” Notwendigkeiten (positiv gemeint) “ausgeliefert”. Der Grund für die Schwachstellen jeder Rechtsordnung ist eine verhängnisvoll übersehene Tautologie: Oft ist etwa im Zusammenhang mit Menschenrechten zu hören “ ... weil dies und das in der Verfassung bestimmt ist”! Ist etwa Menschenwürde durch die Rechtsordnung definiert, entsteht der Umstand, dass die Grundsatzaussage mit den Ausführungsbestimmungen in Zusammenhang geraten. Wird etwa Würde nach den Bestimmungen der (gleichen) Rechtsordnung ausgelegt, interpretiert, findet unvermeidlich, Einengung, d.h., Degradation von Menschenwürde statt. Der erste Satz der Verfassung (GG) lautet: “die Würde des Menschen ist unantastbar”. Es stört die Aussage in der Verfassung - vernünftige Handhabung vorausgesetzt - nicht. Aber der Bezug dort ist überflüssig. Denn Menschenwürde muss so wie so respektiert werden. Diese und andere Aussagen sollten außerhalb der Verfassung, etwa in einer Präambel, niedergelegt (nicht: “definiert”) sein. Kleiner, dennoch feiner Unterschied. Gebote und Verbote in der Rechtsordnung zu definieren, ist, zu Ende gedacht, widersinnig. Typisch Theoretiker. Partielle Anomie, in der Gestalt einer Rechtsordnung à la carte, real beobachtet, ist die Konsequenz. Augenzwinkern und wegschauen oder “es gibt andere Probleme”, bleibt unzulässig. Niemand wird wollen, alle Probleme von jetzt auf nachher zu beseitigen. Im Strafrecht gab es zeitweise eine positive Entwicklung. Das Sozialrecht bleibt bis heute in den Mühlen von Demagogie und Populismus hängen. Sollten die vorstehenden Aussagen, nach Lehrbuchmeinung “den Bestand unserer Rechtsordnung beeinträchtigen”, dann ist Kompetenz gefragt, damit diese Beeinträchtigung eben nicht stattfindet. Die Rechtsordnung ist unverzichtbar und nur ausgewiesene Fachleute können ihren inneren Zusammenhang durchdringen. Jedwede Allzuständigkeit in Grundsatzfragen wird allerdings streitig gestellt. Die Rechtsordnung ist der Gesellschaftsvertrag, also eine Verabredung auf Dauer. Nicht weniger, nicht mehr. Zu den Vereinbarungen der Rechtsordnung gehören ohne Zweifel Sanktionen für vereinbarungswidriges Verhalten. Sanktionen und die ihnen vorlaufenden Verfahren dürfen die Menschenwürde nicht verletzen. Insbesondere die Selbstbestimmung des Individuums muss ausgeweitet werden; der Einzelne entscheidet autonom - das ist ohnehin reale Praxis - ob er das Risiko der Sanktion eingehen will. Autonomie darf wie Würde daher nicht innerhalb der Rechtsordnung nicht definiert sein. Übersehen wird, dass das Meine-Deine-Freiheit nur das einzelne Individuum im konkreten Fall gewissenhaft - mit der Irrtumswahrscheinlichkeit die jedem menschlichen Erkennen eigen ist - abschätzen kann. Verdichtet sich der Dschungel der Rechtsordnung wie seit vielen Jahrzehnten weiter, endet dieser Prozess mit dem Kollaps. Der Ameisenstaat als Lösung ist dem Menschen würdelos, also zu verwerfen. Es fehlen die Bemühungen die Selbstbestimmung der Menschen durch Lichtung des Paragraphen-Dschungels auszuweiten |
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