24.07.17 / ... / 10.01.02
Herrschaft und Herrschaftswissen
Ist Wissensdiffusion gehemmt (1), hat also das Wissen die relevante Teilmenge der Individuen nicht erreicht, kann die Gesellschaft nicht gelernt haben.
Beim Schachspiel, dem Poker ist die Erfolgschance des A am
größten wenn der bzw. die Gegner seine Strategie nicht durchschauen, d.h, nicht lernen.
Hervorzuheben ist der Fall bewusst veranlasster Fließhemmnisse.
Besonders im Fall des so genannten Herrschaftswissens weniger Individuen, wird der Wissensfluss absichtlich mit dem Ziel gehemmt, die geheimgehaltene Vorsprung exklusiv als Voraussetzung für erfolgreiche Einsatz zu nutzen. Gesellschaft
kann auch in diesem Fall nicht lernen. Besonders in totalitären Gesellschaften spielt Herrschaftswissen eine große Rolle.
Wichtige Beispiele für wirkungsvoll und sinnvoll eingesetztem Herrschaftswissen:
- Auf Herrschaftswissen basiertem Handeln der Zentralbanken. Ohne Zweifel werden hier Erklärungsmodelle, d.h. Theorien über die Gesellschaft (Wirtschaft, Finanzwesen) gebildet und zur Entscheidungsfindung für die Geldpolitik herangezogen. Die Zentralbanken müssten “ihre Koffer packen”, wenn die Gesellschaft Kenntnis des spezifischen Herrschaftswissens erhielte.
Vermutlich entschied etwa Alan Greenspan, Vorsitzender des US-Zentralbankrates, nach einem chaotischen Prinzip. Niemand kannte sein Modell. Deswegen galt bis 2008 die Federal Reserve als erfolgreich. Die Gesellschaft hatte die Theorie des Alan Greenspan also nicht gelernt; aus Sicht der Gesellschaft war derartiges Wissen nicht existent. Es bleibt dabei: Eine menschliche Gesellschaft, die sich selbst versteht ist nicht nur undenkbar, sondern sogar ein unvernünftiger Gedanke.
- Ähnlich gelagert ist der Fall der Sicherheitsbehörden: Schon ihre Vermutungen sollen Rechtsbrechern unbekannt sein, damit diese geringere Chance haben sich dem ZUgriff von Fahndern zu
entziehen.
- Das römische divide et impera hatte das Ziel zu vermieden, dass im regierten Volke geplante Maßnahmen nicht unterlaufen werden konnten.
- “Wer führt ist einsam”, lautet sinngemäß die Beschreibung der sozialen Beziehungen von Führungskräften. Die bezüglich Führung geschwätzige Person spielt bestenfalls die
Lachnummer.
Fazit: (Teil-)Theorien über die Gesellschaft werden als Herrschaftswissen zum Vorteil aller eingesetzt. Die Gesellschaft profitiert vom Nicht-Wissen über sich selbst. Das Prinzip der sozialwissenschaftlichen Unschärfe ist ein Segen, möglicherweise gar eine inhärente Eigenschaft jeder dauerhaft überlebenden sozialen Bildung. Unter heutigen Gegebenheiten aber nur unter der Voraussetzung, dass der “Verzicht zu Wissen” bewusst, von robusten Mehrheiten getragen, vereinbart ist. Also müssen Verfassung, Gesetze, Rechtsprechung, Normen, Gewohnheitsrecht und die staatlichen Institutionen zwingend als Gesellschaftsvertrag errichtet, betrachtet und behandelt werden. Alles andere ist aus liberaler Sicht nicht erstrebenswerter, weitergehend: Inakzeptabler Obrigkeitsstaat.
Herrschaftswissen ist vielfach reiner Sachzwang. Um den naheliegenden Missbrauch zu vermieden werden im Staatskomplex und in der Zivilgesellschaft die sog. hochrangigen Positionen ausnahmslos auf Zeit
vergeben.
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physikalisch bedingte Hinderung des Informationsflusses, ungeeignete Darstellung, hohe Komplexität
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