10.07.18 / 24.07.17 / ... / 08.10.04
Nur robuste Systeme überleben
Nach den vorangehenden Ausführungen zu “Systemthoerie”, insbesondere den Abschnitten Freiheitsgrade und Richter leuchtet das folgen Plädoyer für “Dezentralisation” der Gesellschaft mehr den je ein.
Vor vielen Jahren, nämlich in HB, 08.10.04, veröffentlichte Bernd Ziesemer einen Aufsatz unter dem o.a. Titel, der durch vielfach sinngemäße
Zitate folgendes brachte:
“Naturwissenschaften sind Lehrstoff für Politiker. Sozialreformen, die Komplexität steigern laufen Gefahr des Zusammenbruchs”. ... “In
Natur und Technik überleben nach den Untersuchungen von Gilles auf Dauer nur „robuste Systeme“, die auch beim Ausfall einzelner Komponenten weiter funktionieren”.
„Robuste Systeme“ zeichnen sich durch folgende
Merkmale aus:
- Modularisierung,
- hierarchische Regelungsstrukturen
- Diversität.
Man kann sich diese drei Komponenten am Beispiel des Internets klar machen: Das Netz verbindet selbstständige Server unterschiedlichster Bauart, die jedoch nach
festen Regeln miteinander kommunizieren. Eine Nachricht kann ihren Empfänger auf vielen Wegen erreichen. Das Gesamtsystem funktioniert höchst stabil, auch wenn einzelne Komponenten ausfallen. Ein Internet, das mit wenigen einheitlichen
Großrechnern betrieben würde, wäre genauso wenig überlebensfähig wie ein Netz ohne klare hierarchische Regeln für die Vergabe von Domainnamen.”
Prinzipiell ist das Vorsehende nicht neu. “Umso erstaunlicher bleibt jedoch die Tatsache, dass die Erkenntnisse der Systemtheorie bisher in der deutschen
Debatte über Sozial- und Wirtschaftsreformen so gut wie gar keine Rolle spielen. Viele politische Lösungen widersprechen den Anforderungen an „robuste Systeme“ sogar diametral.”
Am Beispiel von Hartz IV, der Bildungspolitik und Gesundheitspolitik führt Ziesemer aus, wie Parlamente und Staatsverwaltung gegen das Prinzip der
“Robustheit” systematisch verstoßen (keine Autonomie von Kommunen und Bildungseinrichtungen, Zentralisierung, Gleichmacherei)
Das deutsche Gesundheitssystem steckt tief in der Komplexitätsfalle: Eine schnelle Lösung seiner Probleme wird schon deshalb unmöglich, weil niemand mehr den
gesamten Wirkungsmechanismus einigermaßen vollständig überblicken kann. ... Aus systemtheoretischer Sicht muss man schon deshalb gegen das rot-grüne Projekt einer
Zwangslösung für die gesamte Bevölkerung (vulgo Bürgerversicherung) polemisieren, weil sie die große Fehlertoleranz eines Systems miteinander konkurrierender Kassen aufhebt.
Gute Sozialsysteme müssen die Folgen externer Schocks und interner Fehlanreize auffangen und ausgleichend wirken. Wer beide Faktoren
von vorneherein ausschließen will, führt die Sozialpolitik nur noch tiefer in die „Komplexitätsfalle“. Vernünftige Sozialsysteme müssen aus systemtheoretischer Sicht das Kriterium einer lernenden Organisation erfüllen. Nur
Wettbewerb (auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite) sorgt für schnelle Informationsrückkopplung. Systeme, die externe Signale zu langsam verarbeiten, sterben. Auch das kann man bei einem Einzeller studieren: Das kleine Bakterium
Escherichia coli verfügt über 50 bis 70 Sensoren, die seine Entwicklung steuern”.
|