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20.11.2017 Lindner: Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch
zu regieren
Der
FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner erklärte heute in Berlin zu den
Sondierungsgesprächen mit der CDU, den Bündnis-Grünen und der CSU: „Wir
haben Stunden, Tage und Wochen miteinander gerungen. Heute am Tage länger,
als wir uns vorgenommen hatten. Wir
haben als Freie Demokraten zahlreiche Angebote zum Kompromiss unterbreitet:
unter anderem in der Steuer-, der Europa-, der Einwanderungs- und der
Bildungspolitik. Denn wir wissen, dass Politik vom Ausgleich lebt. Mit knapp
elf Prozent kann man nicht den Kurs einer ganzen Republik diktieren. Unsere
Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zeigen wir ja übrigens auch in
Regierungsbeteiligungen mit Union, SPD und Grünen in den Ländern. Nach
Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen,
offenen Fragen und Zielkonflikten vor. Dort, wo es Übereinkünfte gibt, sind
sie oft erkauft mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen. Wir
haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU/CSU
und FDP überbrückbar gewesen wären. Es ist da auch eine neue politische Nähe,
auch menschliche Nähe gewachsen Aber am heutigen Tag wurde keine neue, keine
weitere Bewegung erreicht, sondern es wurden Rückschritte gemacht, weil auch
erzielte Kompromisse noch einmal in Frage gestellt worden sind. Es
hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner keine gemeinsame Vorstellung
von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame
Vertrauensbasis entwickeln konnten. Eine Vertrauensbasis und eine gemeinsam
geteilte Idee wären aber die Voraussetzung für stabiles Regieren. Wir wissen
nicht, was in den nächsten Jahren auf Deutschland in Europa und der Welt
zukommt. Aber wenn dann vier Partner schon nicht in der Lage sind, schon bei
dem Absehbaren einen gemeinsamen Plan zu entwickeln nach so langer Zeit und
so intensivem Ringen, ist das keine Voraussetzung, dass auch auf das
Unvorhersehbare angemessen reagiert werden kann. Wir
werfen ausdrücklich niemandem vor, keinem unserer drei Gesprächspartner, dass
er für seine Prinzipien einsteht. Wir tun es aber auch für unsere Prinzipien,
für unsere Haltung. Unser Einsatz für die Freiheit des Einzelnen in einer
dynamischen Gesellschaft, die auf ihn vertraut, die war nicht hinreichend
repräsentiert in diesem Papier. Und wir haben heute, an diesem bescheidenen
Tag, nicht den Eindruck gewonnen, obwohl allen die Dramatik der Situation
bewusst war, dass dieser Geist grundlegend veränderbar gewesen wäre. Die
Freien Demokraten sind für Trendwenden gewählt worden. Und wer sich dieses
Dokument ansieht: Es war nicht zu ambitioniert, es war nicht unrealistisch,
sondern maßvoll. Wir sind für diese Trendwenden gewählt worden, aber sie
waren nicht erreichbar, nicht in der Bildungspolitik, nicht bei der
Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, nicht bei der Flexibilisierung unserer
Gesellschaft, nicht bei der Stärkung der Marktwirtschaft – und bis zur Stunde
auch nicht bei einer geordneten Einwanderungspolitik. Den
Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten. Viele
der diskutierten Maßnahmen halten wir sogar für schädlich. Wir wären
gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und all das, wofür wir Jahre
gearbeitet haben. Wir werden unsere Wählerinnen und Wähler nicht im Stich
lassen, indem wir eine Politik mittragen, von der wir im Kern nicht überzeugt
sind. Es
ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen.“ |